Wer hoch pokert, kann auch verlieren. Roberto Devereux hätte am liebsten alles gehabt, die Liebe der Königin Elisabeth, die Verehrung der Herzogin von Nottingham, das Ansehen des cleveren Feldherrn und den Einfluss bei Hofe der Tudors. Doch seine Rechnung, mit den Gefühlen der mächtigen Freunde und Freundinnen spielen zu können, ging nicht auf. Offiziell scheiterte er an Hochverrat, doch es war die Rache der verschmähten Geliebten, die ihn letztlich aufs Schafott brachte. Gaetano Donizetti fand diese Konstellation spannend genug, um ihr eine Oper zu widmen. Und so schuf er 1837 “Roberto Devereux” für das Teatro San Carlo in Neapel und mit diesem Werk eines der Schmuckstücke des Belcantos.
Donizetti hatte wohl eine Schwäche für mächtige Frauen. Zumindest Elisabeth I. von England hatte es ihm derart angetan, dass er sie gleich dreimal in Form einer Oper bedachte. Die erste Beschäftigung mit der historischen Person verwirklichte er 1829 mit “Elisabetta al castello di Kenilworth”, sechs Jahre später folgte die Auseinandersetzung mit ihrer Rivalin in Gestalt von “Maria Stuarda”, schließlich 1837 der Abgesang auf die Herrschaft mit “Roberto Devereux”. Faszinierend war dabei vor allem die Widersprüchlichkeit der Figur, die auf der einen Seite Staatsräson verfolgen sollte, auf der anderen aber die Liebe suchte und bei ihrem jüngeren Günstling nicht fand, stattdessen den abtrünnigen Verehrer mit ihrer Unterschrift auf dem durch das Parlament beschlossenen Todesurteil ins Jenseits beförderte. Mit dieser zweifelhaften Amtshandlung aber, die sich von persönlichen Gefühlen hatte leiten lassen, übertrat sie vor sich selbst die Grenzen der Redlichkeit und disqualifizierte sich als Herrscherin. So ist am Ende von “Roberto Devereux” schließlich keine der Hauptfiguren glücklich mit ihrem Schicksal. Roberto ist tot, Elisabeth dem Wahnsinn nahe, Sarah verzweifelt ebenfalls angesichts des verlorenen Geliebten und dessen alter, aber betrogener Kumpan Charles, der Herzog von Nottingham, hadert mit den Grundfesten von Männerfreundschaften. Lediglich Jakob, der Neffe der Königin, kann von der Situation profitieren, schließlich bekommt er von seiner Tante die Insignien der Macht überreicht mit dem Auftrag, das Land in Zukunft würdiger zu regieren als seine Vorgängerin.
Die Oper “Roberto Devereux” ist nicht einfach zu inszenieren. Für Historienpomp gibt sie so viel nicht her, dafür sind aber vergleichsweise abstrakte Vorgänge wie die Beratungen des Parlamentes über den Hochverrat des Protagonisten darzustellen, einschließlich der komplexen Vorgeschichte, die der Dreiecksbeziehung und den politischen Intrigen vorausging. Das bayerische Staatsschauspiel entschied sich im Jahr 2004 für eine gemäßigt historische Adaption, die zwar auf die alten Beziehungsgeflechte zurückgreift, sie aber in ein stilisiertes England der Gegenwart überträgt. Assoziationen werden wach, zur eisernen Lady Thatcher auf der einen Seite, aber auch zu Pedro Almodóvars “Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs” und vergleichbaren gesellschaftskritischen Statements der vergangenen Jahrzehnte. Christof Loys Inszenierung besticht dabei durch ihre Schlichtheit, die die Oper trotz der großartigen Melodien Donizetti in die Nähe eines Kammerspiels rücken lässt. Darüber hinaus hatten die im Mai 2005 in München aufgezeichneten Aufführungen eine hervorragende Riege an Solisten zu bieten, die die Visionen des Regisseurs auch umzusetzen verstanden. Die Titelrolle sang Roberto Aronica, die schwierige Partie der Elisabeth meisterte Edita Gruberova mit umjubelter Unmittelbarkeit. Für das glücklose herzögliche Ehepaar Nottingham waren Albert Schagidullin und Jeanne Piland eine ideale Besetzung und auch Chor und Orchester des Bayerischen Nationaltheaters waren unter der Leitung von Friedrich Haider eine gute, weil weise und kompetente Wahl. Gefilmt in High Definition und mit echtem 5.0 DTS Surround- Deluxesound (wahlweise PCM Stereo) unter der erfahrenen Leitung von Brian Large, ist aus diesem Bühnenprojekt ein echtes und spannendes Operndrama geworden, das sich kein Belcanto-Fan entgehen lassen sollte.