Es muss nicht immer Dido sein. Das dachte sich wohl auch Georg Friedrich Händel, als er das Libretto von Silvio Stampiglia zur Hand nahm, um daraus seine Oper „Partenope“ zu machen. Denn die Geschichte von der lebenslustigen Ahnherrin Neapels erscheint wie eine Umkehrung des Melodrams, bei dem die treue und ein wenig übersensible Dido an der Liebe zu ihrem Aeneas scheitert. Dem zeitgenössischen Publikum jedenfalls hat der Plot gefallen, schließlich geht es dabei um Liebe, Leidenschaft und Verwicklungen, die wiederum gute Unterhaltung versprechen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Noch immer ist „Partenope“ eine rasante und abwechslungsreiche Oper, besonders dann, wenn Solisten wie Inger Dam-Jensen in der Titelrolle und Andreas Scholl in der Partie des Arsace auf der Bühne zu erleben sind.
Man könnte die Geschichte auch traurig erzählen. Schließlich ist Partenope eine der drei Sirenen, die mit ihrem Gesang in der griechischen Mythologie die Seemänner so betörten, dass diese mit ihren Schiffen unaufmerksam werden und an den Klippen zerschellten. Odysseus, der Held des griechischen Epos, schlug ihnen damals ein Schnippchen, indem er sich an den Schiffsmast binden ließ, seiner Mannschaft aber die Ohren verstopfte, so dass sein Gefährt die Sirenen passierte und er trotzdem den wunderbaren Gesang erlebte. In einer Variante der Geschichte nun ist Partenope so verzweifelt darüber, dass ihr es nicht gelang, Odysseus in den Tod zu schicken, dass sie sich selbst in die Fluten stürzte und ihre Leiche dann dort an Land gespült wurde, wo später Neapel gegründet wurde. Händel, resp. Stampiglia jedoch, wählten eine andere Version, die nicht in Selbstmord und Wahnsinn mündete, sondern ein Happy-End zu bieten hatte. Denn auch hier gibt es Verwicklungen um Partenope, die zweite weibliche Hauptperson Rosmira und den untreuen Liebhaber Arsace, auch hier kommen Verkleidungen und Verwirrungen vor, doch diesmal endet das Ganze damit, dass Arsace und Rosmira sich wiederfinden und Partenope ebenfalls nicht leer ausgeht.
Für Georg Friedrich Händel war die im Februar 1730 uraufgeführte Oper auch ein Versuch. Im Jahr zuvor hatte er bei einer Italienreise die aktuellen musikalischen Moden kennen gelernt und setzte einige der Ideen nun auch in eigenen Kompositionen um. „Partenope“ gilt als Oper eines moderneren, melodiöseren und heiteren Musikverständnisses und es ist eigentlich ein Rätsel, warum sie heute vergleichsweise selten auf den Spielplänen zu finden ist. Sie hat alles, was es für einen humorvollen Bühnenabend braucht und macht auch den Akteuren unübersehbar Spaß. Auf DVD kann man sie nun in einer fulminanten Inszenierung genießen, die im vergangenen Jahr an den Royal Danish Opera aufgezeichnet wurde. Im Mittelpunkt stehen die Sopranistin Inger Dam-Jensen und der Countertenor Andreas Scholl, die in einer dezent modernen Inszenierung von Francisco Negrin als Partenope und Arsace das Geschehen auf den Kopenhagener Bühne bestimmten. Für die orchestrale Seite sorgte das Concerto Copenhagen unter der Leitung von Lars Ulrik Mortensen, gefilmt wurde im 16:9 Format mit brillantem Surround-Sound, sodass kaum Wünsche offen bleiben, außer sich bald in den Sessel des Heimkinos setzen zu können, um das Opernereignis auf DVD selbst zu erleben.
Mehr Informationen über Andreas Scholl finden Sie auf der
Künstlerseite des Sängers auf KlassikAkzente.