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Zum Tode von Giuseppe Sinopoli

25.04.2001
Am 20. April starb der italienische Maestro Giuseppe Sinopoli während einer “Aida”-Aufführung in der Deutschen Oper Berlin im Alter von nur 54 Jahren an einem Herzinfarkt.
Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Sinopoli – der einst an diesem Haus als künstlerischer Direktor mit Intendant Götz Friedrich viele Erfolge feierte, aber auch so manchen Strauß auszufechten hatte – ausgerechnet am Abend seiner Rückkehr nach langjähriger Abwesenheit ans Pult der Deutschen Oper plötzlich und unerwartet verstarb. “Wir hatten so darauf gewartet, dass er wieder zu uns kommt. Er war ein großartiger Freund und großartiger Musiker, der uns in den achtziger Jahren stark geprägt hat.”, äußerte sich der Orchestervorstand Karl-Heinz Brössling gegenüber der Berliner Morgenpost. 1980 war er quasi über Nacht zum Pultstar aufgestiegen, als er an der Deutschen Oper Giuseppe Verdis “Macbeth” dirigierte und sich augenblicklich in die Phalanx der gefragtesten Verdi-Dirigenten katapultierte. Als Resultat der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin entstanden wenig später seine Aufnahmen von “Macbeth” (Philips 412 133–2) und “Nabucco” (DG 410 512–2), mit denen Sinopoli Interpretationsgeschichte geschrieben hat.
 
Giuseppe Sinopoli aber war mehr als “nur” ein hervorragender Dirigent. Er war Doktor der Psychologie und bereitete gerade die Verteidigung seiner Dissertation auf dem Gebiet der Archäologie vor – Thema: Die assyrische Kultur in Mesopotamien. Darüberhinaus galt der scheue, hochgebildete Maestro als der Philosoph unter den Dirigenten seiner Generation und im Gespräch, wie etwa im Rahmen seines Werkstattgesprächs mit Gerd Scobel in Kulturzeit auf 3sat, zeigte er sich als intelligenter Plauderer mit reichem Anekdotenschatz.
 
Seit seinem Debüt mit “Tannhäuser” im Jahre 1985 zählte Giuseppe Sinopoli zum Dirigentenpool Bayreuths, wo er bis zu seinem “Ring”-Dirigat im vergangenen Sommer unter seinen 93 Vorstellungen auch “Der fliegende Holländer” und “Parsifal” geleitet hat. Sein Stuhl für den “Ring”-Zyklus des Jahres 2001 ist nun verwaist, und in Bayreuth ist man verzweifelt auf der Suche nach einem “Ersatz”, obgleich man weiß, dass den charismatischen Venezianer so schnell kein anderer Kollege ersetzen kann. Dokumente seiner Bayreuther Erfahrungen sind die beiden Deutsche Grammophon-Aufnahmen von “Tannhäuser” (427 625–2) und “Der fliegende Holländer” (437 778–2), jeweils mit Plácido Domingo und Cheryl Studer.
 
Auch im sinfonischen Bereich zählte Sinopoli längst zur ersten Wahl unter den Dirigenten unserer Tage. Als Chefdirigent des Philharmonia Orchestra (1983–94), vor allem aber als Chef am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden (seit 1992) glänzte der emotionsgeladene Analytiker Giuseppe Sinopoli mit unvergessenen und unvergesslichen Aufführungen sowie Einspielungen auf Deutsche Grammophon. Mit dem Philharmonia Orchestra legte er beispielsweise einen kompletten Mahler-Zyklus vor, mit der Staatskapelle belebte er die einst von Richard Wagner ins Leben gerufene Tradition der Dresdner Palmsonntags-Konzerte neu und legte unter anderem Live-Mitschnitte von Beethovens Symphonie Nr. 9 (453 423–2), Bruckners Symphonie Nr. 5 (469 527–2) und jüngst Antonín Dvóraks Stabat mater (471 033–2) vor.
 
Seine Vielseitigkeit stellte Sinopoli auch mit seinem Engagement für zeitgenössische Musik sowie mit eigenen Kompositionen unter Beweis, allen voran seiner Oper “Lou Salomé”, die im Mai 1981 an der Bayerischen Staatsoper München ihre Uraufführung feierte und wenig später mit Lucia Popp und José Carreras für die Deutsche Grammophon aufgenommen wurde. Aus Anlass seines Todes wird diese Einspielung, die lange Zeit vergriffen war, zur Wiederveröffentlichung in Kürze vorbereitet.
 
Mit Giuseppe Sinopoli verliert die Musikwelt einen sympathischen und klugen Musiker, der nicht nur in allen bedeutenden Opernhäusern und Konzertsälen ein gern gesehener Gast war, sondern der im Laufe seines Lebens viele Freunde und Bewunderer gefunden hat. Riccardo Muti kommentierte: “Ich habe einen Freund verloren, die Scala, Italien und die ganze Welt haben einen großen Künstler verloren.” Wolfgang Wagner bezeichnete Sinopoli als “eine der ernsthaftesten und scharfsinnigsten Künstlerpersönlichkeiten, die ich kennengelernt habe”.
 
Giuseppe Sinopolis diskographisches Vermächtnis ist breit gefächert und zeugt von der unermüdlichen Suche nach neuen, stark persönlich gefärbten Interpretationen. Posthum werden auf Deutsche Grammophon, für die er seit 20 Jahren aufgenommen hat, in den nächsten Wochen Sinopolis letzte Einspielungen erscheinen, die dem Oeuvre Richard Strauss' gewidmet waren: “Ariadne auf Naxos” und “Friedenstag”.
 
“Die Nachricht vom Tod Giuseppe Sinopolis hat uns von der Deutschen Grammophon Gesellschaft und Universal tief getroffen. Sein Beitrag zur Musik sowie sein interpretatorisches Genie werden wir schmerzlich vermissen. Unser Mitgefühl in dieser schweren Zeit gilt seiner Familie”, sagte Chris Roberts, Präsident von Universal Classics und Jazz sowie Deutsche Grammophon.
 
Mit “Aida” hatte er 1976 in Venedig sein Opern-Debüt gefeiert, nun wurde Verdis “Aida” in der Regie des kürzlich verstorbenen Intendanten Götz Friedrich zum allzu frühen Schwanengesang für Giuseppe Sinopoli. Und es mutet mehr als schicksalhaft-tragisch an, dass Giuseppe Sinopoli in einem Begleitschreiben zur Aufführung am 20. April in Berlin folgende Worte fand: “Wenn Götz [Friedrich] mich heute zum Pult begleitet, wird es mir scheinen, als wiederhole er mit klarer, überzeugender Stimme die Worte des Ödipus von Sophokles, die er, bevor er die Szene verlässt, an die Menschen von Kolonas richtet: 'Du und diese Stadt … das Schicksal sei Euch gnädig, und im Wohlergehen erinnert Euch immer mit Freude an mich, wenn ich tot sein werde.”
 
In tiefer Trauer
 
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Universal Classics Deutschland

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