Mit seiner Überzeugung von der heilenden, verbindenden und inspirierenden Kraft der Musik gehört Gustavo Dudamel zu den überragenden Dirigenten der Gegenwart. Er ist in den großen Konzertsälen ebenso wie in Klassenzimmern, auf Video-Bildschirmen und in Kinos zu erleben und seine bemerkenswerte musikalische Laufbahn wie auch sein Engagement, jungen Menschen in der ganzen Welt den Zugang zur Kunst zu ermöglichen, sind Beleg für die außergewöhnliche Fähigkeit der Musik, das Leben der Menschen zu verändern.
Im Mittelpunkt von Dudamels Saison 2018/19 stehen die Feiern zum 100. Geburtstag des Los Angeles Philharmonic (LA Phil) und zum 10-jährigen Jubiläum seiner Amtszeit als Musikalischer und Künstlerischer Direktor des Orchesters. Weitere Höhepunkte der Spielzeit sind sein Debüt an der Metropolitan Opera mit Verdis Otello; ein Auftritt bei der Oscarverleihung; die Jubiläumstournee des Orchesters nach Seoul und Tokio mit Musik von John Adams, John Williams und Gustav Mahler; Projekte mit dem Mahler Chamber Orchestra in Spanien; und an der Princeton University seine erste längere universitäre Residency.
Unter Dudamels Leitung wurde das LA Phil zu einem der führenden internationalen Orchester, dessen Engagement für neue Musik, Vielfalt und Inklusion Bewunderung erregt. Die 100. Saison des LA Phil zeigt die ungewöhnliche Vielseitigkeit von Dirigent und Orchester ebenso wie den Wunsch, die traditionellen Grenzen der klassischen Musik zu überschreiten. Dudamels Auffassung von Musik spiegelt die Heterogenität seines Publikums und sein Engagement für die Gegenwartsmusik zeigt sich in der Arbeit mit Musikern aller musikalischen Richtungen. Chris Martin, Katy Perry und Natalia Lafourcade stehen neben Größen der klassischen Musik wie beispielsweise John Williams und Lang Lang. Als Jubiläumsgeschenk an die Gemeinde wird das LA Phil 10 000 Freikarten für benachteiligte Musikliebhaber in Los Angeles bereitstellen.
Kulturen verbinden: Engagement durch Musik und Erziehung
Im festen Glauben an die Fähigkeit der Musik zu verbinden und zu inspirieren ist Dudamel besonders der Vorstellung von den »Vereinigten Amerikas« verpflichtet, wie er der New York Times gegenüber äußerte: »Die Amerikas sind ein vereintes Wesen. Die Kultur der Amerikas – Nord-, Süd- und Mittelamerika – ist von der Landschaft, den Menschen und der Folklore dieser wundervollen Landstriche geprägt. Es gibt eine große Vielfalt, aber auch viele Gemeinsamkeiten. Wir gehören alle zur ›Neuen Welt‹ mit dem ganzen Gefühl von Jugend, Hoffnung, Vielfalt und Mut, das dieser Begriff seit Generationen beinhaltet.«
Seine »Amerikas«-Tournee mit den Wiener Philharmonikern 2018 wurde unterstrichen durch einen Workshop »Art and Citizenship« in Mexiko-City, der 300 junge Leute aus Nord- und Südamerika als Ausdruck kultureller Solidarität zusammenführte. Im Zuge seiner Bestrebungen, der Bedeutung der Musikerziehung mehr Beachtung zu verschaffen, war er bei den Vereinten Nationen und im Weißen Haus zu Gast, und seinen Auftritt beim Nobelpreis-Konzert 2017 nutzte er für eine Rede über die Verbindung von Kunst und Wissenschaft.
Dudamels lebenslanger Einsatz für Musikerziehung und gesellschaftliche Entwicklung durch die Kunst geht zurück auf die Erfahrungen, die er als Kind bei El Sistema gemacht hat, dem außergewöhnlichen Programm immersiver musikalischer Ausbildung, das der Dirigent José Antonio Abreu 1975 ins Leben rief. Dudamel, der jetzt fast 19 Jahre Musikdirektor des Simón Bolívar Symphony Orchestra ist, führt die Arbeit seines verstorbenen Mentors weiter, indem er sich für El Sistema in Venezuela einsetzt und zahlreiche davon inspirierte Projekte in aller Welt unterstützt, beispielsweise Big Noise in Schottland, das Programm Superar Wien, SerHacer in Boston und El Sistema Schweden.
Dudamel vergrößert zudem ständig die Reichweite seiner Initiative Youth Orchestra Los Angeles (YOLA). Inspiriert durch Dudamels Arbeit wurde YOLA 2007 nach dem Vorbild von El Sistema gegründet. Das Programm hat mehr als 1200 Kindern aus benachteiligten Verhältnissen in der Region von Los Angeles den Zugang zu guter Musikerziehung ermöglicht. 2019 wird in Inglewood (Kalifornien) ein neues Gebäude des Architekten Frank Gehry für YOLA errichtet.
Kontakt zu neuen Zuhörern durch Medien und Entertainment
Als einer der wenigen klassischen Musiker, die bei größter musikalischer Integrität wirklich ein Mainstream-Publikum erreichen, war Gustavo Dudamel dreimal in der CBS-Sendung 60 Minutes zu Gast und Thema des PBS-Special Dudamel: Conducting a Life. Er wurde von Christiane Amanpour auf CNN interviewt, von Conan O’Brian in Conan, Stephen Colbert in The Late Show und Elmo in Sesame Street. 2018 wurde Dudamel im Sonntagsmagazin der New York Times präsentiert: »Was den Superstar Gustavo Dudamel so gut macht«. Er hatte eine Cameo-Rolle in der preisgekrönten Serie der Amazon Studios Mozart in the Jungle, und zusammen mit Mitgliedern des YOLA war er der erste klassische Musiker überhaupt, der in der Halbzeit-Show des Super Bowl auftrat – neben Popstars wie Coldplay, Beyoncé und Bruno Mars. 2017 war er der jüngste Dirigent, der je das legendäre Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker leitete, das von über 60 Millionen Zuschauern in 90 Ländern gesehen wurde. Auf John Williams’ persönliche Bitte dirigierte er als Gast den Soundtrack von Star Wars: The Force Awakens (Star Wars: Das Erwachen der Macht); er nahm auch James Newton Howards Soundtrack zum Disney-Weihnachtsfilm The Nutcracker and the Four Realms (Der Nussknacker und die vier Reiche) auf.
Mit den Übertragungen seiner Auftritte in Kino, Fernsehen, Rundfunk und Online hat Dudamel mehrere hundert Millionen Menschen in aller Welt erreicht. Viele seiner Aufnahmen wurden mit einem Grammy ausgezeichnet, darunter die maßgebliche Einspielung von John Adams’ Gospel According to the Other Mary (in Auftrag gegeben und aufgeführt vom LA Phil); der Soundtrack zum Film Libertador, für den Dudamel die Musik komponierte; Werke von Richard Strauss mit den Berliner Philharmonikern; Mahlers Symphonien Nr. 5 und 7 mit dem Simón Bolívar Symphony Orchestra; und Mahlers Symphonie Nr. 9 mit dem LA Phil. Eine Benefiz-LP der Wiener Philharmoniker mit Mendelssohns »Schottischer Symphonie« erbrachte Mittel für musikpädagogische Projekte in Lateinamerika, und Kinder aus dem Wiener Superar-Programm wirkten in seiner bei Deutsche Grammophon erschienenen Aufnahme von Mussorgskys Bilder einer Ausstellung mit. Dudamel hat selbst ein reines Wagner-Programm produziert, das nur als Download und Streaming verfügbar ist, zudem sämtliche Beethoven-Symphonien aus dem Palau de la Música in Barcelona und eine Übertragung zweier Strawinsky-Ballette in Zusammenarbeit mit der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker.
Preise und Auszeichnungen
Gustavo Dudamel ist einer der am meisten ausgezeichneten Dirigenten seiner Generation. 2019 wurde er als einer der größten Dirigenten der heutigen Klassikszene in den Hollywood Walk of Fame aufgenommen und mit dem Distinguished Artist Award der International Society for the Performing Arts (ISPA) ausgezeichnet. Er erhielt 2018 den Gish Prize, die PAEZ Medal of Art und den Pablo Neruda Order of Artistic and Cultural Merit, 2016 den Americas Society Cultural Achievement Award und 2014 den Leonard Bernstein Lifetime Achievement Award for the Elevation of Music in Society der Longy School of Music. Er wurde von Musical America 2013 zum Musiker des Jahres gekürt, eine der höchsten Auszeichnungen der klassischen Musikindustrie, und wurde in die Gramophone Hall of Fame gewählt. Im Oktober 2011 wurde er zum Gramophone Artist of the Year ernannt und im Mai des Jahres für seine »außerordentlichen Verdienste um die Musik« in die Königlich Schwedische Musikakademie aufgenommen. Im Jahr zuvor erhielt er den Eugene McDermott Award in the Arts am Massachusetts Institute of Technology. Dudamel wurde 2009 in Paris als Chevalier in den Ordre des Arts et des Lettres aufgenommen, erhielt die Ehrendoktorwürde der Universidad Centroccidental Lisando Alvarado in seiner Heimatstadt Barquisimeto, Venezuela. 2012 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Göteborg. 2008 wurde dem Simón Bolívar Youth Orchestra der Prinz-von-Asturien-Preis in der Kategorie Kunst zuerkannt, und zusammen mit seinem Mentor José Antonio Abreu erhielt Dudamel den Q Prize der Harvard Universität für überragende Arbeit mit Kindern. Die Zeitschrift Time Magazine führte ihn 2009 in einer Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten auf.
Anfänge und Ausbildung
Gustavo Dudamel kam 1981 in Barquisimoto (Venezuela) zur Welt. Als Kind erhielt er Geigenunterricht bei José Luis Jiménez und Francisco Díaz am Jacinto-Lara-Konservatorium. Er setzte sein Studium bei Rubén Cova und José Francisco del Castillo an der Lateinamerikanischen Violinakademie fort. Sein Dirigierstudium begann er 1993, als er vom Amadeus-Kammerorchester als Assistenzdirigent engagiert wurde. 1996 studierte er bei Rodolfo Saglimbeni, und noch im selben Jahr wurde er Musikdirektor des Amadeus-Kammerorchesters. 1999 wurde er zum Musikdirektor des Simón Bolívar Youth Orchestra ernannt und begann Dirigierstudien beim Gründer des Orchesters, José Antonio Abreu. 2004 erregte Dudamel international Aufsehen, als er den ersten Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb der Bamberger Symphoniker gewann. Von 2007 bis 2012 war er Musikdirektor des Gothenburg Symphony Orchestra, dessen Ehrendirigent er heute ist. Vor dem Hintergrund seiner frühen musikalischen und pädagogischen Erfahrungen rief er 2012 die gemeinnützige Gustavo Dudamel Foundation ins Leben, die sich für den Zugang zur Musik als ein Menschenrecht und als Wegbereiter zum Lernen, zur Integration und zum gesellschaftlichen Wandel einsetzt.
2/2019