Die pure Schönheit der Stimmen erreicht die Ohren mit überraschender Wucht. “I Fagiolini” gehören zweifellos zu den erfolgreichsten Vokalensembles der heutigen Tage und haben unter der Leitung von Robert Hollingworth seit 1986 kontinuierlich eine Karriere auf höchstem musikalischen Niveau aufgebaut. Damit können sich die Musiker nicht nur über Monteverdis 450. Geburtstag freuen, sondern auch selbst ihr 30jähriges Jubiläum feiern. Immer noch und vor allem ist es die Magie des Moments, die die Sängerinnen und Sänger mit jedem Stück kreieren – eine Gabe, die Herz und Seele ganz unabhängig von jedem messbaren Erfolg ganz unnachahmbar berührt. “I Fagiolini” interpretieren die Werke des 17. Jahrhunderts mit einer solch zeitlosen, klaren und authentischen Strahlkraft, dass sich jeder Ton unter der Haut einbrennt.
Alte Musik mit frischem Geist
Claudio Monteverdis Kompositionen stehen bereits seit vielen Jahren im Mittelpunkt des musikalischen Schaffens von “I Fagiolini”. So erscheint es nur ganz natürlich, dass sich der musikalische Leiter Robert Hollingworth auch anlässlich des 450. Geburtstags ein besonderes Programm für sein Ensemble ausgedacht hat, um den freudigen Anlass entsprechend zu würdigen. “Monteverdi – The other Vespers” beleuchtet geistliche Werke des italienischen Renaissance-Komponisten, die größtenteils in seinen letzten Schaffensjahren entstanden sind und in ihrer Form und Gestalt seine künstlerische Vielschichtigkeit und Raffinesse einfangen, musikhistorisch jedoch eher in der zweiten Reihe stehen. Grund und Ansporn für Robert Hollingworth, eben diese Musik nun ganz bewusst ins Rampenlicht zu holen und ihre pure Schönheit offen zu legen. Monteverdis berühmtes Vespro della Beata Vergine aus dem Jahr 1610 ist die ungestellte Ausgangsfrage, die mit dem Album “The other Vespers” beantwortet wird. In der “Motette Beatus vir” kommt Monteverdis Sinn für Dramatik und sein Gespür für natürliche musikalische Effekte besonders gelungen zum Ausdruck. Lustvoll, mit perfekter Artikulation und beeindruckendem dynamischen Ausdrucksvermögen stürzen sich die Sängerinnen und Sänger des britischen Kammerchores in Monteverdis vielfarbige, musikalische Welt und schaffen mit dem Album eine glühende Hommage an den Komponisten.
Gelungener Kontext
Über das weite klangliche Spektrum hinaus, das Claudio Monteverdis Musik generell innewohnt, vermittelt Robert Hollingworth anhand der ausgewählten Kompositionen auch einen Eindruck vom klanglichen Kontext der Zeit, in der sie entstanden sind. Er bringt Monteverdis Werke mit Kompositionen von Zeitgenossen wie Lodovico Grossi da Viadana oder Ignazio Donati in Berührung und schafft damit ein polyphones Spannungsfeld, das den Geist der Renaissance über alle Jahrhunderte hinweg ins Hier und Jetzt transferiert. Die besondere Ausdruckskraft venezianischer Mehrchörigkeit durchdringt das “Ave verum Corpus” von Giovanni Pierluigi da Palestrina/Giovanni Battista Bovicelli genauso wie Giovanni Gabrielis “Magnificat”, das “I Fagiolini” für das Album als erstes Ensemble überhaupt in dieser authentischen Form eingesungen haben. Mit der wohlüberlegten, intelligenten Zusammenstellung musikalischer Kostbarkeiten des 17. Jahrhunderts, ist Robert Hollingworth in seiner gewohnt feinsinnigen Arbeit mit “I Fagiolini” und in Zusammenarbeit mit The 24 der University of York und dem Instrumentalisten des The English Cornett & Sackbut Ensemble ein authentisches Bild der Venezianischen Vesper gelungen.