“Unsere beiden Freunde kommen vom Jazz her (auch wenn sie Rückgriffe auf die klassische Musik nie verweigert haben), und es ist originell, wie herausfordernd sie sich dem Cancan annähern, um dann unmerklich (oder vielleicht sogar ungewollt) zum Swing oder zum Rhythm’n’Blues überzugehen – sicher nicht auf der Suche nach Offenbach, sondern auf der Suche nach sich selbst oder in der Gewissheit, dass die Musikgeschichte sich letztlich von selber entwickelt, durch Rück- und Vorgriffe, als ob sie überzeugt wären, dass […] alle Komponisten stets komponiert haben, um zahllose künftige Arten von Musik zu antizipieren – und natürlich besonders die ihre.” Die Worte stammen aus der Feder des Schrifstellers
Umberto Eco, der für das Duo von Klarinettist/Saxophonist
Gianluigi Trovesi und Akkordeonist
Gianni Coscia nun schon zum dritten Mal einen Booklet-Text verfasste.
Zuvor hatte Eco bereits blitzgescheite Anmerkungen zu den Alben
“In Cerca Di Cibo” (1999) und
“Round About Weill” (2004) geliefert, zwei CDs, auf denen Trovesi und Coscia den Mailänder Komponisten Fiorenzo Carpi und Kurt Weill mit liebevollen, freien und geistreichen Neuinterpretaionen ihrer Werke geehrt hatten.
Diesmal dreht sich auf “Frère Jacques – Round About Offenbach” alles um Jacques Offenbach. Dafür arrangierte das Duo zum einen Auszüge aus populären Offenbach-Werken wie “La Belle Hélène” (“Die schöne Helena”), “La Périchole” (“Die Straßensängerin”), “La Grande-Duchesse de Gérolstein” (“Die Großherzogin von Gerolstein”) und “Les Contes d’Hoffmann” (“Hoffmanns Erzählungen”), liefert zum anderen aber auch von Offenbach inspirierte eigene Stücke und Improvisationen ab.
Der französische Komponist mit den deutschen Wurzeln (Offenbach war 1819 in Köln zur Welt gekommen) schrieb einige der quirligsten Musikwerke des 19. Jahrhunderts. Ob das Publikum oder Kollegen seine Schöpfungen als hohe Kunst betrachteten, interessierte Offenbach wenig. Was bei seinem Hang zur Frivolität auch nicht weiter überrascht. Mit geradezu diebischer Freude parodierte er in seiner unbefangenen Musik, die manchmal einfach nur wunderschön war und dann wieder höchst satarisch, Wagner und andere kulturelle Ikonen seiner Zeit. Offenbachs Ernsthaftigkeit wurde oft in Frage gestellt, sein handwerkliches Können als Komponist hingegen nie.
Zähnknirschend nannte Debussy ihn einen “talentierten Musiker, der die Musik hasste”. Der der Wiener Publizist und Satiriker Karl Kraus wiederum fand Offenbachs Kompositionswerke so einzigartig und originell, dass er für sie die Genrebezeichnung “Offenbachiaden” kreierte. Während er beim breiten Publikum ungemein populär war, wurde er von Kritikern kaum einmal gefeiert.
All dies musste natürlich das Interesse von Trovesi und Coscia wecken, die bekanntlich eine Schwäche für kulturelle Anti-Helden und “niedere” Kunstformen haben. Für sie ist Offenbach ein Kamerad, ein Seelenverwandter, oder kurz
“Frère Jacques”. Und auf diesem munteren neuen Album präsentieren sie seine Offenbachiaden nun mit italienischem Akzent.