Chopin ist seine Leidenschaft.
Jan Lisiecki hat ein besonderes Gespür für den polnischen Komponisten. Das er schon früh unter Beweis gestellt hat.
Frühvollendeter Meisterpianist: Jan Lisiecki
Als 15-Jähriger debütierte er bereits mit einem vom Warschauer Fryderyk Chopin Institute herausgegebenen Live-Album. Darauf interpretierte er die beiden Klavierkonzerte von Chopin so reif und spannungsgeladen, dass die internationale Presse danach Kopf stand. Sie lobte ihn als einen “Virtuosen bar jeder Manieriertheit mit einer kraftvollen und vor allem unwiderstehlich natürlichen Spielweise” (Diapason). Das BBC Music Magazine beschwor seinerzeit die erstaunlich “reife Musikalität” des Youngsters.
So überraschte es nicht, dass der 1995 im kanadischen Calgary als Sohn polnischer Eltern geborene Ausnahmepianist bereits im Jahre 2011 exklusiv bei Deutsche Grammophon unterzeichnete. Seitdem hat er drei vielbeachtete Alben vorgelegt, die seinem frühen Gang auf das internationale Parkett Kontinuität und Glanz verliehen. Feinsinnig: sein Album mit Klavierkonzerten von Mozart (2011). Virtuos: seine Einspielung von Chopins Etüden (2013). Von poetischer Ausdruckskraft: seine Interpretation Robert Schumanns (2016).
Zusammenarbeit nach Maß: Krzysztof Urbański und Jan Lisiecki
Jetzt kehrt der junge Meisterpianist zu Chopin zurück, und das mit einer Veröffentlichung, die ihn auf einer noch höheren Reifestufe zeigt. Jan Lisiecki hat sich viel vorgenommen. Er möchte die pianistische Brillanz des jungen Chopin genauso zur Geltung bringen wie dessen poetische Feinfühligkeit. Dabei freut er sich, dass er diesmal nicht auf bekannte Werke des polnischen Komponisten zurückgreift. “Viele Stücke auf unserem neuen Album werden den meisten Zuhörern nicht vertraut sein”, so Lisiecki.
“Es ist, als würden wir zum ersten Mal etwas über sie sagen.” Wir, das sind Jan Lisiecki, Krzysztof Urbański und das NDR Elbphilharmonie Orchester. Jan Lisiecki hat sich Krzysztof Urbański bewusst ins Boot geholt. Der polnisch-kanadische Pianist teilt mit dem polnischen Dirigenten eine emotionale Bindung an Chopins Heimat. Zudem ist das gegenseitige Vertrauen der beiden groß. Lisiecki weiß, was er an dem offenherzigen Meisterdirigenten hat. Er schätzt dessen Urteile.
Tanzlust: Der freudvolle Chopin
Als Urbański die Einladung von Lisiecki erhielt, mit ihm Chopin aufzunehmen, da reifte in ihm bald die Überzeugung heran, dass sich für dieses Projekt vor allem das NDR Elbphilharmonie Orchester eigne. Lisiecki ist im Nachhinein glücklich mit dieser Wahl. Die Wärme der Streicher, die Farbvielfalt des Bläserklangs und die enthusiastische Kooperationsbereitschaft dieses Orchesters haben ihn gänzlich überzeugt. Das merkt man den Aufnahmen an. Die Tanzlust ist allenthalten spürbar. Man wird mitgerissen von dem schwungvollen, dem zuversichtlichen Chopin der jungen Jahre.
So vor allem in den Variationen über “Là ci darem la mano” aus Mozart “Don Giovanni”. Überwältigend hier: die Musizierfreude des Orchesters und das entspannt perlende Spiel von Jan Lisiecki. Andere Werke lassen passagenweise schon den melancholischen Chopin erahnen. So das spannungsgeladene Rondo à la Krakowiak oder das über weite Strecken verträumt fließende Andante spianato et Grande Polonaise brillante. Mit dem posthum erschienenen Nocturne in cis-Moll interpretiert Jan Lisiecki zum Schluss noch in zartfühlender Manier ein Stück, das an den verletzlichen Chopin gemahnt. Eine wunderbare Abrundung dieses Albums.