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Barocke Schätze

Albrecht Mayer
01.04.2009
Die Reihe Audior ist das Schatzkästlein für Freunde früher musikalischer Meisterwerke. Das Spektrum reicht von der Alten Musik bis zur Romantik und umfasst viele wegweisende Einspielungen namhafter Spezialisten ihres Fach von der Musica Antiqua Köln bis hin zu Frans Brüggen und Trevor Pinnock und  deren Ensembles. In der Frühjahrsrunde des Serie werden nun faszinierende Pretiosen der Hörkultur ausgegraben, von der „Rekonstruierten Konzerten" Johann Sebastian Bachs über Programme mit den Jubilaren Joseph Haydn und Georg Friedrich Händel bis hin zu einer Sammlung mit Konzerten für Blockflöte.

Allein durch den Glauben solle der Mensch ins Himmelreich gelangen, predigte Luther und verbannte allen Nippes und Tand aus den Kirchen des Spätmittelalters. Singen allerdings dürfe man schon, zu Ehren Gottes und weil die Musik das Gemeinschaft- und Läuterungsgefühl erhöht. So entstanden im Rahmen protestantischer Liturgie zahlreiche Vokalwerke, die vor allem durch Johann Sebastian Bach auf ein bislang ungekanntes Niveau der Kunstfertigkeit gehoben wurden. Der Thomaskantor zu Leipzig komponierte, verknüpfte, kompilierte fortwährend und arbeitete etwa eine Pastoralkantate mit ein wenig Phantasie zum „Osteroratorium" um. Es steht zusammen mit dem „Himmelfahrt-Oratorium" im Mittelpunkt der Bach-Aufnahme von Gustav Leonhardt mit dem Choir & Orchestra of the Age of Enlightenment, die als international gefeierte Fachleute für Barockmusik gelten. Als Solisten sind Monika Frimmer (Sopran) Ralf Popken (Alt), Christoph Prégardien (Tenor) und David Wilson-Johnson, (Bass) mit von der Partie, eine famose Interpretation nicht nur für die Ostertage.
Johann Sebastian Bach war zum einen Thomaskantor, darüber hinaus aber auch Leiter eines Collegium Musicum, das wöchentlich Konzerte in einem vornehmen Leipziger Caféhaus veranstaltete. Wohl der größte Teil von Bachs Cembalokonzerten ist für die über 500 Caféhaus-Programme entstanden, die zwischen 1729 und 1741 erklangen. Allerdings haben diese Concerti größtenteils verschollene Vorlagen mit anderen Soloinstrumenten. Die rekonstruierten Fassungen einiger dieser Werke, die die Berliner Barocksolisten unter Leitung des Geigers Rainer Kussmaul auf einer außergewöhnlichen CD vorstellen, sind zwar nur Annäherungen an die wohl für immer verlorenen Originale, erlauben aber dennoch einen faszinierenden Ausblick auf eine frühe Epoche des Bach’schen Schaffens, die nicht mehr unmittelbar zugänglich ist.
Das ausgehende Barock war eine Hochzeit der Unterhaltungskultur und der Geschmack war klar definiert. Musik sollte leicht und eingängig, gemäßigt gefühlvoll und heiter, zuweilen zärtlich und vor allem elegant sein. Sie sollte virtuos unterhalten und souverän gefallen, das Publikum weder unter- noch überfordern. Das nun wiederum bedeutete, dass die Kunst der Komposition erlernbar und nur bedingt von der Eingebung des Genius abhängig war. Für den jungen Magdeburger Studenten der Jurisprudenz Georg Philipp Telemann war das eine zentrale Einsicht, die ihn dazu ermutigte, in das musikalische Fach zu wechseln. Sein Einstiegsinstrument war die Orgel und das ursprüngliche Interesse lag im Bereich der kirchlichen Musik, das er jedoch bald auf andere Fächer ausdehnte. Er brachte es bald bis zum Leiter des Collegium musicum in Frankfurt, wo er sich Schritt für Schritt durch Konzerte und Kompositionen in der Wertschätzung seiner Zeitgenossen nach oben arbeitete, unter anderem auch durch seine Werke für Blockflöte. Sie sind daher Teil der Zusammenstellung „Virtuose Blockflötenkonzerte", die aus der umfangreichen Diskografie entnommen wurden, die Reinhard Goebel im Laufe seiner Jahrzehnte als Leiter der Musica Antiqua Köln verwirklich hat. Neben Telemann finden sich Konzerte von Antonio Vivaldi, Domenico Natale Sarri, Robert Valentine, Francesco Mancini und ein „Brandenburgisches Konzert" von Johann Sebastian Bach, das die Flöte als zentrales Instrument feiert. Und als Solisten brillieren unter anderen Gudrun Heyens und der Traversflötist  Wibert Hazelzet.
Joesph Haydn war Teil des Hofstaates des Fürstenhauses Esterházy. Das war zum einen durchaus ein Vorteil, denn auch diese Weise hatte er nicht nur konstant Arbeit, sondern blieb auch regelmäßig mit der Aristokratie in Kontakt, die für die Finanzierung und Aufführung seiner Werke wichtig war. Allerdings hatte der Job auch reichlich Haken: Haydn war gezwungen, mit seinem Dienstherren allsommerlich in die Residenz Esterháza zu ziehen, um sich dort um das akustische Wohl des Fürsten und seiner Familie zu kümmern. Und er bekam als Kapellmeister eine Menge aufgebrummt. Haydn konzentrierte sich vollends auf seine Arbeit, denn er hatte gar keine andere Chance, sinnvoll über die Runden zu kommen. Das wiederum veranlasste ihn, in manchen Dingen über sich hinaus zu wachsen.  Haydn suchte die Grenzen des Besonderen, gerade wenn er sich in den 19 Symphonien, die auf Esterháza entstanden, den Formalismen seiner Epoche näherte. Denn einiges weicht ab von der Norm, ungewöhnliche Tonarten wie H-Dur etwa (in der „Abschieds-Symphonie"), überhaupt die latente Mollvorliebe im Vergleich zum strahlenden Dur des höfischen Barocks. Der holländische Dirigent Frans Brüggen hat sich mit dem Orchestra of the Age of Enlightenment Haydns Werke dieser Jahre angenommen, neben der „Abschieds-Symphone" auch der Symphonie „Maria Theresia" und der Sinfonie „La Passione". Als ausgewiesener Fachmann für Spätbarock entlockt er den Werken eine Präsenz und Direktheit, die sie auch nach mehr als zwei Jahrhunderten zeitgemäß erscheinen lassen.
Abgerundet wird die Frühjahrsstaffel der Audior-Reihe schließlich durch ein weiteres Mosaiksteinchen zum Werkportrait des Jubilars Georg Friedrich Händel. Das Barockensemble The English Concert unter der Leitung von Trevor Pinnock haben sich gemeinsam mit dem Solisten Simon Preston einer heute ein wenig in den Hintergrund getretenen Konzertgattung zugewandt, den Orgelkonzerten. In Händels Biografie haben sie einen festen Platz, denn der Komponist als Halle an der Saale war zunächst auch als Organist ausgebildet worden und hatte als Domorganist gearbeitet, bevor ihn die Neugier in die Welt ziehen und sie unter anderem als Opernkomponist erobern ließ. Insgesamt hat Händel zwei Dutzend Instrumentalkonzerte geschrieben und mindestens ebenso viele Concerti, Suiten und Einzelsätze. Sie gelten als glanzvolles Finale barocker Ensemblemusik, haben ihre Vorbilder bei italienischen Meistern wie Vivaldi und Corelli, wurden von Händel aber in sehr unterschiedlicher Form zusammen gestellt. Seine Orgelkonzerte erschienen in drei Blöcken, der Zusammenstellung op.4 (1735), während seiner Londoner Jahre ein Zyklus op.7 (1761) mit sechs Werken, worunter sich vier umgearbeitete Concerti grossi op.6 befinden und zuvor bereits eine Edition mit Werken ohne Opuszahl (1740). Trevor Pinnock und Simon Preston haben für Audior aus jeder dieser Phasen Werke ausgewählt, zwei Konzerte op.4, zwei op.7 und das „F-Dur Konzert HWV 295″ ohne Opuszahl, die einen pointierten Einblick in die Welt eines Orgelkomponisten aus Leidenschaft bieten.

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