So wie das Bouquet eines guten Weines Zeit braucht, um zu reifen, so hat sich auch
Jonas Kaufmanns Stimme über die Jahre immer weiter entfaltet, hat viele Klangfarben dazu gewonnen und eine köstlich klingende Reife erlangt. Zu seinem
45. Geburtstag hat sich der Tenor mit fast fünf Stunden Opernmusik selbst die schönsten Ständchen gesungen: Mit insgesamt 46 Arien aus über 30 verschiedenen Opern und Wagners fünf Wesendonck Liedern zeigt er 1001 Facetten seiner unverwechselbaren Stimme. Die hat nicht nur eine elegante, strahlende Höhe, fast noch betörender sind die tiefen Lagen, die er mit sonor schimmernder Leuchtkraft ausgestaltet. In der Stimme liegt soviel Emotion, dass man alle paar Sekunden unwillkürlich eine Gänsehaut bekommt.
Eine Stimme mit tausend Gesichtern
Ob Mozarts “Zauberflöte”, Verdis “Rigoletto”, Wagners “Parsifal” oder Massenets “Manon”. Auch Beethovens einzige Oper “Fidelio” ist auf den vier Alben vertreten. “It’s me” lässt allein schon durch die Vielfalt das Herz jedes Opernfans höher schlagen. Jonas Kaufmann überzeugt darauf stilsicher mal in deutscher, mal in italienischer und mal in französischer Sprache und stellt neben sprachlichem Feingefühl und einer blitzsauberen Verständlichkeit auch die enorme Wandlungsfähigkeit seiner Stimme unter Beweis.
Wenn er in Leoncavallos Oper “Pagliacci” als verzweifelter Canio mit bitterem Lachen “Tu sei Pagliacci” konstatiert, läuft einem ein Schauer über den Rücken. Wenn er als zum Tode verurteilter Cavaradossi in Puccinis Oper "Tosca” den nahenden Tod besingt, ist man zutiefst berührt, wenn er als glühend verliebter José der feurigen Carmen seine Liebe gesteht, bekommt man weiche Knie. Welche Figur auch immer Jonas Kaufmann interpretiert – man nimmt sie ihm ab. Die Intensität, mit der er die Arien musikalisch gestaltet, ist durchweg überzeugend in Ausdruck und Interpretation.
Unbekannte Schätze
Es sind jedoch nicht nur die bekanntesten Opernarien auf den vier Alben versammelt. Auch unbekanntere Schätze hat Jonas Kaufmann für seine Stimme entdeckt und füllt den Opernstoff mit Leben: “Andrea Chénier” von Umberto Giordano zum Beispiel, “Giulietta e Romeo” von Riccardo Zandonai, “Mefistofele” von Arrigo Boito oder “I Lituani” von Amilcare Ponchielli. Auf den Alben kann man viele Arien ganz neu entdecken und sich damit völlig neue Welten in der Opernlandschaft erschließen.
Kaufmann und Wagner
Einen besonderen Stellenwert hat die Beziehung zwischen Jonas Kaufmann und der Musik von
Richard Wagner. So verwundert es nicht, dass eines der vier “It’s me” Alben ganz Richard Wagners Werken gewidmet ist. Allein nur in Wagners Opern kann man stilistisch schon eine komplexe Bandbreite entdecken. Ist in der frühen Oper “Rienzi” die italienische Schule noch deutlich spürbar, wenn Jonas Kaufmann in “Allmächt’ger Vater, blick herab” mit langen Legatobögen eine intelligente Stimmführung zeigt, so ist die Oper “Siegfried” viel durchkomponierter und lebt in der Arie “Dass der mein Vater nicht ist…Du holdes Vöglein!” vor allem durch die lebendige Art der Gestaltung. Bei Jonas Kaufmann klingt alles ganz selbstverständlich und organisch, nichts wirkt artifiziell oder mühsam antrainiert. Wenn er mit zauberhafter, fast zärtlicher Phrasierung “Winterstürme wichen dem Wonnemond” aus dem 1. Akt von Wagners “Walküre” singt, dann entstehen vor dem inneren Auge sofort die allerherrlichsten Bilder.
Wagners Wesendock Lieder aus den Jahren 1857 und 1858 sind der krönende Abschluss für die vier Alben. Wagner hatte sie eigentlich für Frauenstimme und Klavier komponiert und nicht viele Tenöre trauen sich an die Lieder heran. Jonas Kaufmann singt sie in einer Orchestrierung des österreichischem Komponisten Felix Mottl und verströmt auch in diesen Werken ein tiefes Verständnis für Wagners Musik.
“It’s me” heißt das neue Album. Und wenn Jonas Kaufmann tatsächlich so ist, wie die Arien klingen, dann ist er ein äußerst leidenschaftliches Chamäleon mit viel Charme, Charisma, Gefühl und Verstand.