Natürlich war Wien schon vor Joseph Haydn eine der zentralen Musikstädte Europa. Aber erst mit dem Leben und Wirken des begabten Sohns eines Wagners und Hufschmiedemeisters bekam sie diese besonderen Anziehungskraft, die letztlich auch Kollegen wie Mozart und Beethoven inspirierte, in der Donaustadt an der neuen Sprache der „Wiener Klassik" weiter zu arbeiten. Am 31.Mai 2009 nun jährt sich der Todestag Joseph Haydns zum 200.Mal und aus diesem Anlass haben die Deutsche Grammophon und deren Schwesterfirmen ein umfassendes Paket herausragender Aufnahmen zusammengestellt, die die Musik des vielseitigen und produktiven Komponisten mit vielen Facetten vorstellen. Das Spektrum reicht von der monumentalen Gesamteinspielung sämtlicher Haydn-Sinfonien durch Antal Dorati über die vergleichenden Werknäherungen der jungen französischen Pianistin Claire-Marie Le Guay bis hin zu der Kompletteinspielung der Streichquartette durch das Aeolian String Quartet, der Oratorien-Box in der eloquence-Reihe und verschiedenen einzelnen Highlights von Claudio Abbado über Thomas Quasthoff bis Alfred Brendel.
Wenn sich daher ein Dirigent wie der gebürtige Ungar Antal Dorati vornahm, eine Gesamteinspielung der Haydn-Sinfonien zu wagen, dann war ihm klar, dass er sich einem der umfangreichsten Kernoeuvres der Orchestermusik überhaupt zuwandte. Er überzeugte mit viel persönlichen Einsatz die Verantwortlichen seiner damaligen Plattenfirma Decca, die Aufnahme sämtlicher Symphonien Joseph Haydns zu verwirklichen, die dann in den Jahren 1969 – 1972 entstand und bis heute Maßstäbe setzt. Während dieser Zeitspanne reiste ein Aufnahmeteam zwei- bis dreimal pro Jahr in die westfälische Kleinstadt Marl, die deutsche Heimat der Philharmonia Hungarica, eines von Antal Doráti als Ehrenpräsident geleiteten Orchesters. Alle waren mit großer Begeisterung bei der Sache, Symphonie für Symphonie wurde unter Verwendung einer gerade erst erschienen kritischen Ausgabe peinlich genau erarbeitet. Lohn der Anstrengungen waren unter anderem der Grand Prix du Disque‚ sowie der Deutsche Schallplattenpreis. Antal Doratis Sinfonien-Aufnahme wurden zur Referenz für viele späteren Haydn-Projekte. Das 33 CDs umfassende Mammutvorhaben ist anlässlich des Haydn-Jahres in einer streng limitierten Edition, die es so günstig wie noch nie zuvor ermöglicht, sich diesen diskographischen Schatz ins heimische Wohnzimmer zu holen. Doratis revolutionäre Haydn-Deutung klingt dabei auch aus der historischen Distanz so modern und frisch, als wäre sie gerade erst aufgenommen worden. Auch editorisch gilt seine Gesamteinspielung der 104 (streng genommen 108, denn die Symphonien Nr. 22, 53 und 63 existieren in zwei Fassungen, zur Symphonie Nr. 103 hat Haydn ein alternatives Ende komponiert) Symphonien als unvergleichlich gelungenes, klassisches Musterbeispiel für derartig umfassende Aufnahmeprojekte.
Ebenfalls ein gewaltiges und aufschlussreiches Vorhaben war die Kompletteinspielung sämtlicher 67 Streichquartette Joseph Haydns in chronologischer Folge durch das Aeolian String Quartet. Denn in diesem Fall lässt sich in ungewöhnlicher Stringenz die Entwicklung der Klangsprache des Komponisten nachvollziehen, die er in dieser Laborform der Kammermusik erarbeitete. Die ersten Streichquartette sind noch als Geige zu Begleitung komponiert, die späteren hingegen als wirkliches polyphone Ensemble. Es sind Unikate der introvertierten Musikkultur, wie sie weder Mozart noch Beethoven in dieser Weise schreiben konnten, auch wenn sie als seine Schüler klar an die gestalterische Konsequenz des Lehrers anknüpften. Sie sind Meisterstücke des Genres und sie wurden vom Aeolian String Quartet auch unter diesem Gesichtspunkt mit der nötigen Mischung aus Ehrfurcht und Präsenz umgesetzt. Knapp die Hälfte der Werke haben außerdem berühmte Kollegen in famosen Aufnahmen verwirklicht. Das Amadeus Quartett war von den fünfziger Jahren an bis in die Achtziger weltweit eines der berühmtesten Kammermusikensembles überhaupt. Und es wurde besonders gelobt für seine Einspielungen von Werken der Wiener Klassik. Die sehr preisgünstige Sammlung zum Jubiläumsjahr umfasst alle Haydn-Aufnahmen des Amadeus Quartetts – von Opus 51 „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze" bis Opus 103 dem letzten unvollendete Streichquartett des Komponisten.
Die Zeitung Le Figaro ist begeistert: „Die junge französische Pianistin verbindet ohne Not technisches Vermögen mit plastischer Anmut. Dieser thematische Streifzug durch die geschwisterlichen Sonaten Haydns und Mozarts ist berauschend." Es geht um Claire-Marie Le Guay. Hierzulande zählt sie noch zu den Geheimtipps der Klaviergemeinde, die französischen Nachbarn hingegen schätzen sie bereits als eine der wichtigsten Interpretinnen des laufenden Jahrzehntes. Im Jahr 2006 begann Le Guay mit den Aufnahmen für die Firma D’Accord des beziehungsreichen Wechselspiels von Haydns und Mozarts Klaviersonaten. Auf drei Alben machte sie die gegenseitige Wertschätzung der beiden Komponisten, ihre musikalische Verwandtschaft und ihre jeweilige Einzigartigkeit zum Thema. Die Werke der CDs sind nicht notwendig durch ihre Entstehungszeit und ihren Stil aufeinander bezogen. Die Auswahl wurde aus den sechzig Haydn-Sonaten von 1750 – 1794/95 und den 18 von Mozart zwischen 1775 und 1789 komponierten Sonaten getroffen. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem renommierten Autor und Journalisten Marc Vignal, der das Sachbuch „Haydn et Mozart" verfasst hat, und erscheint nun anlässlich des Jubiläumsjahres auch in Deutschland. Eine Entdeckungsreise in die Welt der Wiener Klassik und einer Pianistin auf dem Weg an die Weltspitze.
Neben diesen vier über Thematik oder Werkgruppen gegliederten CD-Projekten stehen von mehrere weitere Veröffentlichungen im Mittelpunkt des Haydn-Jahres. Unschlagbar in Interpretation und Preis ist beispielsweise die Oratorien-Box der Reihe eloquence, die von „Die Schöpfung" über „Die Jahreszeiten" bis zu den großen Messen Haydns reicht und durch Interpreten wie Sir Neville Marriner, Sir David Willcocks und Orchester wie das London Symphony Orchestra und die Academy Of St. Martin In The Fields für Qualität bürgt. Wer „Die Schöpfung" allein bevorzugt, dem sei die Version von Antal Dorati unter anderem mit Lucia Popp als Solistin ans Herz gelegt.
Opern komponierte Joseph Haydn vor allem von 1775 an bis etwa 1790 im Auftrag des Fürstenhauses Esterházy. Er schrieb sieben vollständige Bühnenwerke und verschiedene weitere Arien für Kollegen. „Als Sänger fragt man sich immer, wie man sich mit seiner Stimme am besten ausdrücken kann und wo man Gelegenheiten findet, die verschiedenen Farben darzustellen", kommentierte der Weltklassebariton Thomas Quasthoff seine Arbeit mit den vergleichsweise wenig bekannten Repertoireschmuckstücken. „In Arien wie Creontes ‘Il pensier sta negli oggetti’ oder ‘Chi spira e non spera’ hat Haydn in einer Weise geschrieben, die meiner Stimme und meinem Gesangsstil sehr schmeichelt, weil er ein paar außergewöhnlich schöne Kantilenen anbietet, die es meiner Stimme erlauben, frei zu fließen". Für das 2008 erschienen Album „Thomas Quasthoff" sings Haydn Arias" hatte er Melodien aus den Opern des Meisters zusammengetragen und zu einem dramaturgisch ausgewogenen Programm kombiniert. Das Spektrum reicht von „Der Ritter Roald" bis „Die Welt auf dem Mond" und Thomas Quasthoff gelingt es gemeinsam mit dem spritzig agierenden Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Gottfried von der Goltz, mit Charme und Charisma einen verschütteten Kosmos musikalischer Juwelen in Erinnerung zu rufen, die nun wohlmöglich wieder leichter auch den Weg auf die Bühnen der Opernwelt finden.
Eine weitere Perle des Repertories präsentiert eine Box mit 4 CDs, die Claudio Abbado mit dem Chamber Orchestra Of Europe zusammen führte. Denn die Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre von ihm aufgenommene Auswahl von insgesamt sieben Londoner Sinfonien Joseph Haydns zeugt von zugleich subtil agierender und grandios klingender Meisterschaft eines Jahrhundertdirigenten. Und nicht zuletzt kann man sich auch der kleinen Form von Haydns Kunst zuwenden. Auf 4CDs erscheinen in der Reihe
The Originals die längst zum Standard der Spielkunst gewordenen Aufnahmen von 11 Klaviersonaten durch Alfred Brendel, die den großen Mozart- und Beethoven-Interpreten auch als Souverän im Umgang mit dem dritten Wiener Klassiker präsentieren.
Mehr Informationen zu Joseph Haydn unter
www.haydnjahr.de