Joseph Haydn war selbst kein Pianist. Trotzdem widmete er den Tasteninstrumenten zahlreiche Kompositionen, darunter mehr als sechzig Klaviersonaten. Als zentraler Künstler des Übergange vom Spätbarock eines Carl Philipp Emanuel Bach über die Wiener Vorklassik bis hin Mozart und Beethoven schuf er ein gewaltige Oeuvre, das noch immer Überraschungen zu bieten hat. So gehören die Konzerte für Geige und Cembalo zu den weniger bekannten Stücken Haydns und ermöglichen es avancierten Ensembles wie der Accademia Bizantina unter der Leitung von Ottavio Dantone, spannende Facetten eines umfangreichen musikalischen Lebenswerkes neu zu entdecken.
Die Wurzeln der Accademia Bizantina reichen zurück bis in die frühen achtziger Jahre. Damals fanden sich im italienischen Ravenna junge Musiker unter den Eindruck der frisch erblühenden historischen Aufführungspraxis zusammen, um sich gemeinsam intensiv der Instrumentalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts zu widmen. Das studentische Projekt konnte bald Erfolge aufweisen, bekam aber erst 1996 den nötigen Impuls, um über sich selbst hinaus zu wachsen. Damals stieß der Cembalist, Organist und Dirigent Ottavio Dantone zu dem Ensemble und sorgte von nun an gemeinsam mit dem Geiger und Konzertmeister Stefano Montanari dafür, das aus dem Orchester in hochkompetentes Ensemble wurde, dessen Einspielung von Alter Musik, barocken und klassischen Werken umfassend Beachtung fanden. Neben der Instrumentalmusik nahm die Accademia Bizantina zunehmend auch Opern des 17. bis 19. Jahrhundert und geistliche Musik in ihr Programm auf, gründete dafür in Faenza sogar das Festival “Creator” und rief einen Coro dell’Accademia ins Leben. Schritt für Schritt arbeitete es sich in die erste Liga der internationalen Ensembles vor und präsentiert nun nach Einspielungen von Werken von Johann Sebastian Bach einen Nachtrag zum Haydn-Jahr mit den Konzerten für Cembalo und Violine.
Haydns Konzerte zeigen dabei als retrospektive Werke einer ausgehenden Ära noch einmal die besonderen Qualitäten des Instrumentes, das durch seine Exaktheit im Barock insbesondere als Grundlage des Generalbasses Karriere gemacht hatte, nun aber in immer stärkerer Konkurrenz zum wandlungsfähigeren Hammerflügel stand. Sein strahlender Klang, der gerade im Zusammenhang historischer Ensembles zum Tragen kommt und von Ottavio Dantone mit faszinierender Präsenz gestaltet wird, steht – im Kontrast zur den Linien der Geige als Beispiel von Haydns stringenter, motivisch orientierter Gestaltungsform – im Mittelpunkt der Werke, die durch die kantable Violine von Stefano Montanari eindrucksvoll ergänzt werden. So ist es der Accademia Bizantina gelungen, den Esprit des musikalischen Übergangs zu einer neuen Epoche in einer Einspielung festzuhalten, die zum einen Joseph Haydn als Eminenz der klassischen Ausdruckskraft, zum anderen durch das Ensembles und dessen Solisten aber auch den Anforderungen der Erkenntnisse gerecht wird, die die historische Aufführungspraxis und die damit verbundenen musikwissenschaftliche Forschung an zeitgemäße Interpretationen heran trägt.