Die Musik von Karl Jenkins ist das klingende Pendant zum Fantasyfilm. Seine Werke suchen die epische Breite, den universellen Gestus und emotionale Tiefenwirkung. Sie begeistern ein großes Publikum und genießen weltweit Kultstatus. Im musikalischen Kosmos des walisischen Komponisten treffen Elemente der klassischen Musik auf Einflüsse aus Afrika, Asien, dem Nahen Osten oder der Kultur der Kelten. Er hat Elfengesänge, Stammestrommeln und das Spiel der Harfenistin Catrin Finch kombiniert. Gleich rituellen Beschwörungsformeln durchziehen alte Textfragmente in Griechisch, Persisch oder Hebräisch seine Vokalwerke. Sogar eine Fantasiesprache erfand Jenkins für sein Erfolgsprojekt „Adiemus“. Karl Jenkins hat einen Stil entwickelt, der immer neue Einflüsse aufzunehmen vermag und Werke von eindrucksvoller Geschlossenheit und atmosphärischer Dichte hervorbringt.
Hören ohne Grenzen
Mit seinem ersten und kommerziell bislang erfolgreichsten Solowerk, dem 1995 erschienen Album „Adiemus: Songs of Sanctuary“, löste Karl Jenkins eine Debatte darüber aus, ob es sich bei seiner Musik um Pop oder Klassik handele. Darf sie in den Klassikcharts gelistet werden, fragte man damals. Aktuell rangiert Jenkins' Komposition „The Armed Man (A Mass for Peace)“ in der Hall of Fame des britischen Radiosenders Classic FM auf Platz 15 zwischen Mozarts Requiem und Barbers Adagio for Strings. Zugleich feiert der Künstler Erfolge in den Popcharts. „Handelt es sich um Crossover?“ Karl Jenkins winkt ab. „Weil ich musikalisch immer in verschiedenen Kulturen involviert gewesen bin, habe ich den Begriff ‚Crossover‘ für meine Musik nie anerkannt. Ich kenne keine Grenzen in Bezug auf das, was ich höre.“
Fortsetzung von Adiemus
„Beim ersten ‚Adiemus‘-Projekt hatte ich mich von einigen Prinzipien der klassischen Musik leiten lassen: Ich setzte ein Orchester ein, doch im Vokalklang vereinte sich Weltmusik mit klassischer Musik, untermalt von volkstümlichen Trommelklängen“, sagt Jenkins. In vier weiteren „Adiemus“-Folgen variierte er dieses Konzept. Zehn Jahre nach dem Erscheinen des letzten Albums der Reihe legt Karl Jenkins mit „Adiemus Colores“ nun die Fortsetzung vor. Auf der Suche nach neuen Klangfarben und Rhythmen blickte Jenkins diesmal nach Südamerika. Er bezeichnet sein neues Album als musikalische Fantasie. „Wäre die Geschichte anders verlaufen und die Vokalmusik Afrikas mit ihren Perkussionsinstrumenten über die iberische Halbinsel nach Lateinamerika gekommen, hätte sie vielleicht so oder so ähnlich klingen können“, sagt Karl Jenkins.
Musikalisches Farbenspiel
„Die ‚Adiemus‘-Idee wird bei ‚Adiemus Colores‘ mit der Musik Lateinamerikas verknüpft“, erklärt Jenkins. „Der Rhythmus einiger Sätze erinnert an brasilianische Musik (Samba), einige wirken argentinisch (Tango), andere wieder spanisch (Bolero), daneben gibt es Mischformen – die Übergänge sind fließend.“ Wie der Albumtitel andeutet, hat Jenkins die einzelnen Stücke nach verschiedenen Farben benannt, um ihren Charakter zu beschreiben. „Canción Azul“ („Blaues Lied“) etwa ist von trauriger Stimmung getragen und das Türkis im „Canción turquesa“ steht für Sinnlichkeit. Doch das Wort ‚colores‘ hat für Jenkins noch eine weitere Bedeutung: „Ich habe mit vielen verschiedenen Klängen und Timbres, den ‚Farben‘ der menschlichen Stimme, experimentiert, vom Fado bis zur Oper, von den Gesängen afrikanischer Stämme bis hin zu kirchlichen Klängen.“
Als Gastsolisten gewann Karl Jenkins mit Tenor Rolando Villazón, Gitarrist Miloš Karadaglić, Fado-Sängerin Cuca Roseta und Trompeter Pacho Flores Musiker von Weltrang und für das eigens zusammengestellte Orquesta de colores die besten jungen Streicher Londons. Die Rhythmusgruppe besteht aus John Parricelli (Gitarren), Danny Evans (Klavier), Larence Cottle (Bass), Zands Duggan und Jody Jenkins (Schlagzeug). Eine tragende Säule des Albums bilden die finnischen Adiemus Singers mit der von ihnen perfektionierten Kunst, die von Karl Jenkins erfundene Lautsprache zu singen.