Der am 28. August 1894 in Graz geborene Karl Böhm begann seine künstlerische Karriere als Korrepetitor am Grazer Opernhaus 1916. Bereits ein knappes Jahr später, im März 1917 debütierte er als Dirigent in einer musikalischen Posse von Rudolf Raimann. Über sein Debüt schrieb Karl Böhm in sein Tagebuch: “Näherinnenchor total geschmissen – Schuld: der Dirigent!”
Und doch legte Karl Böhm am Grazer Opernhaus den Grundstein für eine beispiellose Karriere, die ihn mit einem Repertoire von 25 Opern im Gepäck 1921 zunächst nach München, unter die Fittiche von Bruno Walter führen sollte, der damals die Münchner Oper leitete. Böhm begann auf einer Stelle als vierter Kapellmeister. Wenig später schon stand er bei Opern wie “Martha”, “La Traviata”, “Hoffmanns Erzählungen” und “Aida” am Pult. Schon in der nächsten Spielzeit, am 10. Oktober 1923, dirigierte Böhm seine erste Strauss-Oper “Ariadne auf Naxos”.
Ein goldenes Zeitalter für die Wiener Philharmoniker
Von München ging Böhm ans Darmstädter Landestheater, wo er sich vor allem der zeitgenössischen Musik widmete: Honegger, Wolf-Ferrari, Krenek, Hindemith, Berg. Der schrieb ihm im Januar 1933: “Wissen Sie, das anlässlich der Wiener Opernkrise Ihr Name genannt wurde?” Und Richard Strauss schrieb: “Freue mich, dass Sie in Wien dirigieren: an meinen lieben Philharmonikern werden Sie Vergnügen haben”.
Am 28. März 1933 ging schließlich ein Traum für Karl Böhm in Erfüllung: Er dirigierte das schon damals berühmteste Orchester, mit dem ihn fortan eine lebenslange Zusammenarbeit verbinden sollte: die Wiener Philharmoniker. In seinem Tagebuch ist über diesen Abend zu lesen: “… jetzt habe ich das höchste erreicht, was ein Musiker überhaupt erreichen kann, ich habe die Wiener Philharmoniker dirigiert… Wie spielten diese unvergleichlichen Künstler! Man muss als Dirigent nur aufpassen, dass man nicht ‘zerfließt und ertrinkt’ in diesem ‘wogenden Schwall, in dem tönenden All’”. Für die Wiener Philharmoniker, so beschreibt es Richard Osborne, brach durch die Zusammenarbeit mit Karl Böhm ein neues, goldenes Zeitalter an. Zuvor jedoch absolvierte Böhm noch die nächste Station: Dresden, wo er die Sächsische Staatskapelle übernahm.
Ein Orchesterleiter von Weltrang
Längst hatte seine Karriere internationalen Charakter gewonnen. Genf, New York, Mailand, Salzburg, Bayreuth – Karl Böhms Bemühen um höchste künstlerische Vollendung war stets gegenwärtig, wie auch sein Bestreben, dem jeweiligen Werk, dessen Partitur vor ihm auf dem Pult lag, kompromisslos zu dienen.
Welchen Rang Karl Böhm unter den Dirigenten belegte und worauf sich sein Ruf als einer der bedeutendsten Orchesterleiter des 20. Jahrhunderts begründete, das dokumentiert die jetzt bei Deutsche Grammophon erschienene Karl-Böhm-Edition. Die anlässlich des 40. Todestages editierte Box enthält erstmalig sämtliche Orchesteraufnahmen Karl Böhms für Deutsche Grammophon, in einer Ausgabe zusammengefasst.
Mozart – Böhms musikalischer Schutzpatron
Böhm hatte sich nach der Unterzeichnung seines Exklusivvertrages bei Deutsche Grammophon zunächst dem Werk
Richard Strauss‘ gewidmet: Schlüsselwerke wie “Till Eulenspiegels lustige Streiche”, “Ein Heldenleben” oder die symphonische Dichtung “Don Juan” begegnen uns in verschiedenen Aufnahmen, so etwa mit der
Staatskapelle Dresden und den
Berliner Philharmonikern. Den Aspekt der Vollständigkeit aller Veröffentlichungen dem einer rein inhaltlichen Auswahl vorgezogen zu haben, unterstreicht den Wert des Angebots dieser Box: hierdurch wird, wie auch bei verschiedenen Beethoven-Sinfonien, vergleichbares Hören möglich. 1970 hatte Böhm mit den Wiener Philharmonikern den vollständigen Zyklus aufgenommen – mit den Berlinern spielte er die Sinfonien 3, 5 und 7 ein.
Von seinen Lieblingskomponisten, zu denen neben
Beethoven auch
Schubert und
Brahms gehörten
, enthält die Box ebenfalls die jeweils kompletten Sinfonienzyklen. Der größte Teil aller Aufnahmen dieser Box jedoch ist dem Werk
Mozarts gewidmet, den Böhm seinen "musikalischen Schutzpatron” nannte. Auf allein 24 CDs sind nicht nur dessen sämtliche Symphonien enthalten, die Karl Böhm 1974 mit den Berliner und den Wiener Philharmonikern aufnahm, sondern auch verschiedene Serenaden, darunter die “Serenata notturna” und die “Gran Partita”, sowie etliche seiner Bläser-Konzerte, etwa jene für Klarinette, Oboe, Fagott oder Flöte.
Das Geheimnis der Musik der Wagners
Im Ergebnis der in den 1970er Jahren gefestigten Beziehung Karl Böhms zum
London Symphony Orchestra entstand auch die Aufnahme der drei letzten Sinfonien von
Tschaikowsky.
Wieviel Böhm aus seiner Darmstädter Zeit und den Begegnungen mit dem Dirigenten Karl Muck lernte, der ihn in die Interpretationsgeheimnisse der Musik Wagners aus den Zeiten der ersten Bayreuther Festspiele eingeweiht hatte, ist an seinen Wagner-Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern hörbar: etwa den Ouvertüren zum “Tannhäuser”, den “Meistersingern” oder dem “Fliegenden Holländer”.
Schauspieler Karlheinz Böhm übernahm den Sprecherpart
Selbstredend ist auch die preisgekrönte Aufnahme von Prokofievs “Peter und der Wolf” mit den Wiener Philharmonikern enthalten, bei der der Schauspieler und Sohn von Karl Böhm Karlheinz Böhm den Sprecherpart übernommen hatte.
Dokumente ganz besonderer Art sind die beiden CDs, auf denen Karl Böhm einmal über sein Verhältnis und seinen Umgang mit Mozarts Musik spricht und dann eigene biographische Anmerkungen macht, komplettiert durch eine CD, die Böhm bei seinen Proben an Schuberts großer C-Dur Sinfonie belauscht. Als Bonus gibt es den kompletten Mozart-Symphonie-Zyklus mit den Berliner Philharmonikern auf Blu-ray Audio Disc in 24-bit Remastering. Zusammen mit der bereits veröffentlichten THE OPERAS BOX bildet diese Edition dann Böhms gesamte Diskographie auf DG ab.