Mit diesem Mitschnitt zweier Konzerte aus dem österreichischen Bregenz und der ECM-Heimatstadt München lieferte Keith Jarrett 1982 sein vorläufig letztes Piano-Soloalbum ab. In den kommenden Jahren widmete er sich – nach einer kurzen Auszeit – stattdessen der Interpretation klassischer Musik und ab 1983 dem äußerst intensiven und überaus fruchtbaren Zusammenspiel mit einem neugegründeten Trio: dem sogenannten “Standards”-Trio mit Bassist Gary Peacock und Schlagzeuger Jack DeJohnette. Erst 1987 sollte Keith Jarrett sich mit dem in Japan aufgezeichneten Live-Album “Dark Intervals” wieder als Solist auf der Szene zurückmelden.
“Jarretts Kunst liegt im Gestus, nicht im Material”, schrieb Peter Ruedi damals in seinen Liner Notes zu “Concerts Bregenz/Munich”. “Wer (wie Zuhörer aus dem Bereich der abendländischen E-Musik) diese Solokonzerte auf die Herkunft der einzelnen musikalischen Partikel hin anhört, wer den Blick auf das Geschiebe richtet, das dieser Bewußtseinsstrom mitführt, statt auf die Bewegung, ist verloren. Ihm entgehen ob der Versessenheit auf’s Detail (die Inhalte, die déjà-entendues) die eigentlichen Sensationen dieser Himmel- und Höllenfahrten: die großen Atembögen, die irritierenden Wendungen der expressiven Melodielinien, die Verschattungen der scheinbar simplen, von der abendländischen Musikgeschichte ausgeborgten Akkorde, die Brechungen des Wohlklangs. Vor allem entgeht einem solchen Zuhörer die Radikalität von Jarretts Meta-Eklektizismus (der alles andere ist als ein ironisches Spiel mit Versatzstücken aus dem Fundus der Musikgeschichte): die Ausweitungen und Schrumpfungen von Texturen, Rhythmen, Melodieformen, Klangkonstellationen. Jarretts Ausgangsmaterial ist oft eingängig. Wie er es einsetzt, ist kühn. Es geht ihm, dem Fundamentalisten, gewissermaßen um Emotionalität an sich. Das Material, könnte man zugespitzt sagen, hat nur noch die Funktion, diese Emotionalität sichtbar zu machen, wie Feilenspäne die Linien eines Kraftfeldes.”
Der Konzertmitschnitt aus Bregenz gilt nach wie vor als einer der absoluten Höhepunkt in Jarretts Solo-Diskographie. Der Autor Uwe Andresen meinte gar, daß der Auftritt im Festpielhaus von Bregenz “in seiner ‘lyrischen Konzentriertheit’ dem ‘Köln Concert’ in nichts nachsteht, aber zugleich in der musikalischen Substanz noch packender ist. Was Jarrett hier an Tempo, Rhythmik und Harmonik inszeniert, läßt sich kaum mit einem vorhergehenden (Platten-)Konzert vergleichen.”
Aufnahme am 28. Mai 1981 im Festpielhaus in Bregenz & 2. Juni 1981 im Herkulessaal in München (CD Veröffentlichung 1982) – Weitere Veröffentlichungen der Soloprojekte von Keith Jarrett finden Sie
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