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Keith Jarrett, Gary Peacock & Jack DeJohnette – Vorstoß zu der Seele der Songs

Jack DeJohnette, Keith Jarrett, Gary Peacock
© Patrick Hinely / ECM Records
27.02.2018
Im Laufe ihrer rund dreißig Jahre umspannenden gemeinsamen Geschichte haben Keith Jarrett‚ Gary Peacock und Jack DeJohnette - allgemein bekannt als "das Standards-Trio“ - viele herausragende Aufnahmen gemacht. Und das Doppelalbum ”After The Fall“, das vor begeisternden Darbietungen und dynamischen Interaktionen geradezu übersprudelt, muss man sicherlich zu den allerbesten Einspielungen des Trios zählen. Auf der Jazz-Website All About Jazz gab Karl Ackermann dem Album die Höchstwertung von fünf Sternen und kam zu dem Schluss: ”After The Fall" erinnert einen noch einmal daran, dass – und wie – das heute nicht mehr existierende Ensemble das Klaviertrio neu definiert hat. Ein exzellentes und sehr empfehlenswertes Album."
“Ich war erstaunt zu hören, wie gut die Musik funktioniert”, sagt Keith Jarrett selbst. "Für mich ist es nicht nur ein historisches Dokument, sondern ein wirklich großartiges Konzert." Diese im November 1998 in Newark/New Jersey mitgeschnittene Aufführung markierte Jarretts Rückkehr auf die Bühne nach einer zweijährigen Pause. Tatsächlich war dieses Konzert das erste, das Jarrett seit den italienischen Soloauftritten von 1996 gespielt hatte, die 2016 unter dem Titel “A Multitude of Angels” herausgekommen sind. In der Diskographie des Trios reiht es sich chronologisch vor der Aufnahme von “Whisper Not” ein, die im Sommer 1999 aufgezeichnet wurde, und ist somit der Vorbote der bemerkenswerten zweiten Periode dieses Trios, in der es neue Freiheiten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Welt der Jazzstandards zu finden schien. 
“Wir machen uns keine Gedanken um Konzepte, Theorien oder Imagepflege”, verriet Gary Peacock der Jazz Times vor einigen Jahren. "Das ist alles völlig unwichtig. Was bleibt, ist also: alles. Es lässt die Musik übrig. 
Wenn du einmal an einem Punkt angelangt bist, an dem du nicht mehr das Gefühl hast, eine Erklärung abgeben zu müssen, betrittst du einen Raum von enormer Freiheit."
Mit seinen Improvisationspartnern Peacock und DeJohnette gleitet und segelt Jarrett durch die Klassiker des "Great American Songbook“, darunter ”The Masquerade Is Over“, ”Autumn Leaves“, ”When I Fall In Love“ und ”I’ll See You Again“; gemeinsam kreieren sie ihre eigene Musik im Rahmen dieser familiären Formen. Pete La Rocas ”One For Majid“, das im 21. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil des Konzert-Repertoires des Trios werden sollte, wird spritzig interpretiert und bereitet den Boden für eine überraschend ausgelassene, groovende Version von ”Santa Claus Is Coming To Town“, eine alte Kamelle, die früher auch schon Paul Bley und Bill Evans inspiriert hatte. Dem lebhaften Weihnachtslied wiederum folgt mit ”Moment’s Notice“ eine für Jarrett seltene Auseinandersetzung mit einem Coltrane-Thema, bei der das Trio neue energetische Höhen erreicht.
Es gibt auch atemberaubende Interpretationen von geheiligten Bebop-Nummern wie Charlie Parkers ”Scrapple From The Apple“, Bud Powells ”Bouncin’ With Bud“ und Sonny Rollins ’”Doxy“. Besonders berauschend ist die Version von ”Scrapple From The Apple". Die Noten perlen hier in schwindelerregender Weise aus Jarretts rechter Hand, während DeJohnette sie magisch auf seinen Becken akzentuiert, bevor das Stück in einen rasanten Austausch zwischen Klavier und Schlagzeug mündet. In seinem Begleittext äußert sich Jarrett zur Auswahl des Materials für dieses "experimentelle" Comeback-Konzert: "Ich sagte den Jungs im Trio, dass Bebop zu spielen für mich die beste Idee sein könnte, obwohl das eine großartige Technik erforderte. Ich hatte nicht erwartet, dass ich so hart spielen müsste, wie ich es manchmal tat…"
Balladen werden ebenfalls mit sehr viel Einfühlungsveremögen gespielt. 
Paul Desmonds "Late Lament“ gerät zu einer tiefgründigen Meditation, wobei Gary Peacock Jarretts asketische Ausweitung der Melodie wunderbar untermalt. ”When I Fall In Love“, von dem Trio oft als Zugabe gespielt, klingt hier so bewegend wie eh und je.
”Diese Songs besitzen eine Seele, die man finden kann", meinte Keith Jarrett einmal. Und dass das Trio diese Seele auf "After The Fall" wiederholt gefunden hat, ist wirklich unbestreitbar.

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