Darauf haben wir lange gewartet. Ein romantisches Solo-Album von
Krystian Zimerman, dem musikalischen Rebell und bewunderten Eigenbrötler am Klavier.
Verehrt und gefürchtet: Krystian Zimerman
Er hat es dem Publikum nicht immer leicht gemacht. Krystian Zimerman stellt die höchsten Ansprüche an sich selbst, und deshalb verlangt er auch von seinem Publikum äußersten Respekt vor der Kunst. Nervtötende Filmaufnahmen im Konzertsaal, und der polnische Meisterpianist, ansonsten die Friedlichkeit in Person, gerät außer sich. So geschehen beim Klavier-Festival Ruhr 2013, als Zimerman einem Zuhörer, der das Konzert mit einem Smartphone mitschneiden wollte, die Leviten las.
Dabei ging es ihm auch um das Copyright, das durch YouTube-Filme gefährdet sei. Krystian Zimerman will die Kunst beschützen. Der passionierte Pianist liebt die Klaviermusik so sehr, dass er nichts Störendes in ihrer Nähe duldet. Divenhafte Allüren sind ihm hingegen fremd. Er hat sich der Musik verschrieben, und das mit Haut und Haaren, mit dem ganzen Einsatz seiner Person. Das verbindet ihn mit Franz Schubert, den er schon immer verehrt hat und seit jeher als einen Seelenverwandten betrachtet.
Schubert lieben: Musikalische Besessenheit
“Er hatte immer ein Manuskript am Bett”, so Krystian Zimerman über Franz Schubert, “und wenn er nachts aufwachte, komponierte er einfach weiter. Mir geht es genauso: Wenn mich etwas fasziniert, ist die Nacht auf einmal vorbei und plötzlich ist es sieben Uhr morgens.” Die Nacht zum Tag machen. Kompromisslos seiner musikalischen Leidenschaft nachgehen. Vollkommen eintauchen in die Poesie des Klavierklangs. All das macht Krystian Zimerman aus, und mit dieser Haltung rückt er ganz nah an Franz Schubert heran.
Wann hat man die späten, erstaunlich modernen Klaviersonaten Franz Schuberts jemals so dicht, so vollkommen entrückt und poetisch umgarnt gehört? Krystian Zimerman taucht ganz in die Seelentiefen des österreichischen Meisterkomponisten ein, der nur 31 Jahre alt wurde, an Syphilis litt und wahrscheinlich einer akuten Infektionskrankheit zum Opfer fiel. Das war im Jahre 1828, am 19. November. Die Zeit davor hatte der unermüdliche Schubert noch wie wild komponiert.
Elektrisierend modern: Visionäre Klaviersonaten
Als ob er seinen frühen Tod vorausgeahnt hätte, bündelte er in seinen letzten Lebensjahren all seine Energie und schuf ein Meisterwerk nach dem anderen, darunter der berühmte Liederzyklus
Winterreise, die sanft perlenden
Impromptus und nicht zuletzt, im Todesjahr, drei visionäre
Klaviersonaten. Den beiden letzten davon widmet sich Krystian Zimerman in seinem neuen Album, das gerade in der Reihe
“Piano Masters” erschienen ist.
Zimerman spielt diese Klaviersonaten schon seit dreißig Jahren. Aber sein Respekt davor war so groß, dass er sich bis heute Zeit gelassen hat, um die richtige Form zu finden. Dass die Zeit reif ist, beweist sein Album in allen Schichten. Das klangliche Spektrum ist enorm, und die Gefühlszustände, die sich hier Ausdruck verschaffen, sind schier überwältigend.
Krystian Zimerman schafft es mühelos, den tieftraurigen Schubert mit dem humorvollen in Kontakt zu bringen. Von ergreifender Melancholie: die langsamen Sätze der Sonaten in A-Dur (D 959) und B-Dur (960). Augenzwinkernd hingegen: die Scherzi, die viel Witz versprühen, ohne auch nur im Geringsten oberflächlich zu wirken. Zutiefst menschlich ist das, Klang gewordene Lebensfülle, die sich aus Höhen und Tiefen speist.