Leonard Bernstein hat die Musikgeschichte des vergangenen Jahrhunderts mannigfaltig geprägt und bereichert. Am 25. August wäre der amerikanische Pianist, Komponist und Dirigent 100 Jahre alt geworden. Die Serie Bernstein 100 würdigt Leonard Bernstein als einzigartige Künstlerpersönlichkeit und musikalisches Multitalent und stellt seine unterschiedlichsten Facetten vor.
Als Komponist, als Dirigent, als Pianist und Pädagoge hat Leonard Bernstein die Musikgeschichte des letzten Jahrhunderts in verschiedensten Bereichen geprägt und sein künstlerisches Erbe ist ebenso vielseitig wie beeindruckend. Doch trotz seiner unvergleichlichen Umtriebigkeit und seiner immens vielseitigen musikalischen Hinterlassenschaft würde es zu kurz greifen, Bernstein auf seine musikalischen Tätigkeiten reduzieren. Vielmehr war es ein Wesensmerkmal des hochtalentierten Musikers, dass er die Kunst nie als für sich stehend ansah, sondern sich leidenschaftlich auch in ganz anderen Bereichen engagierte.
Weltbürger und Freigeist
Leonard Bernstein war Zeit seines Lebens geleitet von einem beinahe messianischen Sendungsbewusstsein und besaß eine einzigartige Gabe, Menschen zu begeistern und zu berühren. Dabei setzte er sich immer wieder auch in seinen Kompositionen mit sozialen Themen auseinander – so war nicht zuletzt sein wohl berühmtestes Werk, die “West Side Story”, ein Musical mit sozialpolitischem Zündstoff. Als Künstler sah sich Bernstein in der Verantwortung, sich für gesellschaftliche Belange einzusetzen und das Weltgeschehen mit wachem Blick und starker Stimme zu reflektieren und zu kommentieren. Von seiner politischen Haltung her war Bernstein klar im links-liberalen Lager angesiedelt und tat sich folglich schwer mit der Politik von Präsidenten wie Nixon, Reagan und Bush senior.
Meinungsstark und mutig
Ob in der Musik oder bei seinem sozialen und gesellschaftlichen Engagement: Leonard Bernstein begab sich stets mit ganzem Herzen in die Sache hinein. Meinungsstark, kritisch und angstfrei bezog er öffentlich Stellung, setzte sich etwa für die Schwarzenbewegung ein, protestierte gegen Atomwaffen und für Abrüstung. Zudem gab Bernstein als einer der ersten Künstler überhaupt Benefizkonzerte für Aids-Opfer und nutzte hier eindrucksvoll die Kraft der Musik. Auch sein letzter großer Auftritt in Deutschland nur wenige Monate vor seinem Tod hatte einen politischen Hintergrund: So dirigierte Bernstein an Weihnachten 1989 in Berlin die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und feierte in diesem Konzert mit der umformulierten Ode von Schiller “Freiheit schöner Götterfunken” klanggewaltig den Fall der Mauer.
Unbeirrbarer Humanist und Vertrauter Helmut Schmidts
Als hoch geschätzter Künstler und ebenso engagierter Weltbürger pflegte Bernstein einen intensiven Austausch mit verschiedensten Persönlichkeiten aus Kultur und Politik. Eine davon war Helmut Schmidt, mit dem Bernstein eine enge Freundschaft verband. Jenseits all seiner musikalischen Talente hat Schmidt Bernstein einmal beschrieben als “Weltbürger, der die Welt und die Menschen erlebt und über sie nachgedacht hat”. In einem Gespräch, das die beiden 1985 für die Wochenzeitung DIE ZEIT miteinander geführt haben, offenbarte Bernstein schließlich noch weit mehr als das. So zeigte er sich dort als unerschütterlicher Humanist, der nie den Glauben an die Menschheit verloren hat: “Ich hasse Verallgemeinerungen, erst recht Verallgemeinerungen nach Rasse oder Abstammung. Aber eine Verallgemeinerung möchte ich gleichwohl machen, und die betrifft die Menschheit als Ganzes: Jeder Mensch hat die Fähigkeit zur Liebe. Wenn diese Fähigkeit entfaltet wird, dann kann alles passieren. Dann können wir einander nahekommen, dann können wir Ihr Ideal des Gesprächs erfüllen: Nicht nur in Gipfeltreffen, sondern wirklich von Mensch zu Mensch. Wenn dies nur möglich wäre! Überall auf der Welt. Dann könnten wir vieles erreichen.”