Er gehört zu den versiertesten Geigern der Gegenwart. Dabei ist es nicht allein die technische Könnerschaft, die sein Musizieren auszeichnet.
Das Geheimnis des schönen Tons: Leonidas Kavakos
Es ist vielmehr der schöne Ton, mit dem
Leonidas Kavakos berühmt geworden ist. Manche halten den Klang, den der griechische Geiger auf seinem Instrument zu erzeugen vermag, für den schönsten Ton, der auf einer Violine möglich ist. Doch was ist ein schöner Ton? Und warum wird er sowohl vom Publikum als auch von den Fachleuten bei Leonidas Kavakos so oft beschworen?
Man könnte sagen: Es ist das gewisse Etwas, die besondere Note, das Aroma. Es ist das, was immer herauszuhören ist, gleich welches Werk der Geiger spielt. Bei Leonidas Kavakos ist dieses gewisse Etwas eine eigentümliche Sanftheit, ein zarter Fluss, bei dem man keinen Augenblick zögert, von der Schönheit des Tons zu sprechen.
Nuanciertes Spiel: Die Lust am Detail
Dabei ist das Spiel von Leonidas Kavakos alles andere als gefällig. Es plätschert nie dahin. Das wäre auch merkwürdig bei einem Künstler, der für seinen Ernst und seine musikalische Entschiedenheit bekannt ist. Aber bei aller Pointiertheit seines Spiels: Das Hauptaugenmerk von Leonidas Kavakos liegt auf dem schönen Ton. Sein Spiel ist auf lyrische Details konzentriert und hebt das gesangliche Moment der Geige hervor.
Deshalb kann Leonidas Kavakos mit Fug und Recht als Verteidiger einer poetischen Interpretationskunst gelten, bei der es nicht in erster Linie um technische Meisterschaft geht. Was bringt einen solchen Mann dann dazu, ein Album mit Virtuosenliteratur zu veröffentlichen? Wieso greift Leonidas Kavakos auf Werke zurück, die scheinbar auf technische Raffinesse abheben?
Virtuose Poesie: Vom Ausreizen der Klangmöglichkeiten
Wer sein neues Album hört, dem beantworten sich diese Fragen von selbst. “Leonidas Kavakos – Virtuoso” versammelt 15 Meisterwerke der Virtuosenliteratur, die in technischer Hinsicht genauso anspruchsvoll sind wie in poetischer. Kavakos hat sich Stücke erwählt, mit denen er unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten seines Instruments pointiert zur Geltung bringen kann. Das Stimmungsspektrum des Albums ist groß. Es reicht von lyrisch-melancholischer Melodik über tänzerisch-schwungvolle Dynamiken bis hin zu wildem, leidenschaftlichem Ausdruck.
Demonstriert Kavakos mit Strawinskys “Danse russe” (arr. Samuel Dushkin), wie sehr ihm gespannte Stimmungen liegen, so stellt er mit Sarasates “Romanza andaluza” unter Beweis, dass sich sein schöner Ton prächtig an melodische, sehnsüchtig anmutende Kompositionen anschmiegt. Mit Paganinis Introduktion und Variationen über “Nel cor più non mi sento” untermauert Kavakos seine spielerische Klasse, wohingegen er mit Strauss' Walzer aus dem Rosenkavalier (arr. Váša Příhoda) eine für ihn untypische Facette zum Vorschein bringt: ein schelmisches, augenzwinkerndes Spiel.
Die Reihe ließe sich nahtlos fortsetzen. Auch die Werke von Tschaikowsky, Dvořák, Elgar, Tárrega, de Falla oder Britten machen das neue Album von Leonidas Kavakos zu einem außerordentlichen Hör-Erlebnis. Bei Kavakos, der eine Abergavenny-Stradivari aus dem Jahre 1724 spielt, wirkt nichts zufällig. Alles scheint an seinem Platz, und dazu gehört auf seinem neuen Album auch das Klavierspiel von Enrico Pace, der die Geigenklänge von Kavakos diskret begleitet und ihnen so eine gute Grundlage verschafft.