Es war an einem lauen Sommerabend, mitten in den Schweizer Alpen. Wir schreiben das Jahr 2003, und es kommen Künstler und Künstlerinnen zusammen, die eines auf jedem Fall eint: die Liebe zum romantischen Kunstlied.
Verbier Festival: Imponierende Kulisse
Ort des Geschehens ist Verbier. Dort findet alljährlich vor der imponierenden Kulisse der Walliser Alpen ein hochrangiges Klassikevent statt. Rund 35.000 Zuschauer lockt das Verbier Festival Jahr für Jahr in den beschaulichen Wintersportort. Das Publikum schätzt die Mischung aus etablierten und jung aufstrebenden Künstlern. In Verbier ist es Usus, dass weltberühmte Musiker und junge Hoffnungsträger zusammenkommen und miteinander auftreten.
So auch am 30. Juli 2003, als Lieder von
Johannes Brahms auf dem Programm stehen. Neben dem Weltstar
Thomas Quasthoff tritt an diesem Abend auch die junge tschechische Mezzosopranistin
Magdalena Kožená auf, die in jenen Jahren einen steilen Aufstieg erlebt und heute selbst eine internationale Berühmtheit ist. Die Klavierbegleitung wird von dem Routinier James Levine bestritten und von dem etwas jüngeren, US-amerikanisch-israelischen Meisterpianisten Yefim Bronfman.
Romantische Erneuerung: Schöpferische Prozesse
Höchst unterschiedliche musikalische Temperamente also, aus unterschiedlichen Generationen und Regionen der Welt. Alle unterwegs, um den romantischen Ausdruck zu erneuern und ins 21. Jahrhundert zu führen. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Die Jungen lernen von den Älteren. Aber sie lösen sich auch los. An diesem Konzertabend des 30. Juli 2003 ist in Verbier alles beisammen: musikalische Erfahrung, Entdeckerfreude, Gefühl, Leidenschaft und Genialität.
Und deshalb ist es gut, dass jetzt ein Live-Mitschnitt dieses Recitals erscheint. “Johannes Brahms: Lieder” enthält auf einer 80 Minuten langen CD das komplette Konzert von Verbier. Das Programm beginnt mit erhaben und träumerisch anmutenden Sololiedern des Hamburger Komponisten. Sie werden von dem lyrischen Tenor Matthew Polenzani unter der Klavierbegleitung von James Levine mit schwärmerischer Inbrunst und poetischem Feingespür vorgetragen.
Viel Gefühl: Ein denkwürdiger Konzertabend
Danach ist Magdalena Kožená zu hören, die ihre dramatischen Qualitäten in drei Sololiedern von Johannes Brahms glänzend zur Geltung bringt. Weiter geht es mit den 18 Liebeslieder-Walzern. Hier sind zur vierhändigen Klavierbegleitung von James Levine und Yefim Bronfman alle vier Sänger und Sängerinnen des Konzertabends zu hören: Thomas Quasthoff, Magdalena Kožená, Matthew Polenzani und Andrea Rost.
Gemeinsam zelebrieren sie mit viel Schwung den tänzerischen Furor von Johannes Brahms. Mit Andrea Rost tritt in der Folge eine Sopranistin auf den Plan, die mit atemberaubender Zartheit eine reine, unschuldige Atmosphäre zu stiften weiß. Im Anschluss an die ungarische Sopranistin betritt dann Thomas Quasthoff die Bühne und singt die 5 Lieder (op. 94). Er dringt mit seinem kraftvollen Bassbariton tief in das sehnsuchtsvolle Moment bei Brahms ein.
Es folgen, als krönender Abschluss, die 15 Neuen Liebeslieder-Walzer. Hier sind wieder alle Künstler auf der Bühne vereint und huldigen erneut dem tänzerisch schwungvollen Brahms. Die Texte der Lieder sind übrigens im CD-Booklet abgedruckt, das neben eindrucksvollen Fotos der Künstler auch einen informativen Essay von Michael Church enthält.