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Schubert lieben – Pollinis letzte Aufnahme

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01.11.2024
Maurizio Pollini galt schon zu Lebzeiten als Legende. Der italienische Starpianist, eine charismatische Persönlichkeit, die den eleganten Auftritt pflegte, besaß neben seiner makellosen Technik und einer enorm weitgespannten intellektuellen Expertise ein einzigartiges Gespür für die romantische Klaviertradition. Obwohl er nicht auf Komponisten dieses Repertoires festgelegt werden konnte, denn er war auch ein begnadeter Interpret Debussys und ein Pionier der Neuen Musik, war die emotionale Nähe zur Romantik doch besonders greifbar. Wenn Pollini Chopin spielte, dann war es, als spielte er seine eigene Musik. 
Am 23. März 2024 ist der Grandseigneur der Klavierkunst im Alter von 82 Jahren gestorben. Jetzt hat Deutsche Grammophon seine letzte Studioaufnahme veröffentlicht. Sie entstand im Juni 2022 im Münchener Herkulessaal. Mit von der Partie: Pollinis Sohn, der Pianist Daniele Pollini. Auf dem Programm: Klavierwerke von Schubert.

Schubert als Lieblingskomponist

Dass Franz Schubert zu den Lieblingskomponisten Maurizio Pollinis zählte, dürfte in der Musikwelt bislang weniger geläufig gewesen sein. Aber so bezeugt es Pollinis Sohn Daniele, der die Leidenschaft für Schubert mit seinem Vater teilte. Deshalb lag es nahe, dass die beiden Schubert ins Programm nahmen, als sie sich vor zwei Jahren zu gemeinsamen Aufnahmesessions in den Münchener Herkulessaal begaben. Zu vier Händen hatten sie sich bis dahin noch kein Stück gemeinsam erarbeitet. 
Dennoch gingen sie das Wagnis ein, Schuberts hochkomplexe Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen (D 940) ins Zentrum ihres Aufnahmeprojekts zu rücken. Das Werk gilt als “Krönung von Schuberts umfangreichem Schaffen für Klavier zu vier Händen” (Paolo Petazzi). Daniele liebt die raffinierte Polyphonie in dem Werk. Die größte Herausforderung ist das Zusammenspiel der zwei Pianisten. Beide Solisten müssen sich bei der Interpretation vollständig aufeinander verlassen können. 

Vater und Sohn

Umso berührender ist es, wie selbstverständlich Vater und Sohn ihr vierhändiges Debüt bewältigen. Die originellen Harmonien des Stückes zeichnen sich ebenso farbintensiv wie klar konturiert ab. Zugleich ist jener sanfte lyrische Ton zu vernehmen, für den Pollini senior Berühmtheit erlangte und der auf Daniele abgefärbt zu haben scheint. 
Doch wie das Album eindrucksvoll untermauert, sind beide Pianisten auch Individualisten am Klavier. Der Senior demonstriert dies solo auf den verschlungenen Pfaden von Schuberts Klaviersonate Nr. 18 in G-Dur (D 894), der Junior mit den schillernden Charakterstücken aus Schuberts geistreichem Klavierzyklus “Moments musicaux” (D 780). 
Maurizio Pollini spannt souverän die großen Bögen der komplexen Klaviersonate Nr. 18 in G-Dur. Seine Übersicht macht sich hörbar bezahlt. Daniele Pollini erweist sich als Meister der aphoristischen Form. Er versteht sich glänzend darauf, subtile Pointen zu setzen. So spiegelt das Album beide Seiten der Generationenfolge: Abschied und Vermächtnis eines großen Pianisten, Fortsetzung und Neuanfang eines verheißungsvollen Erben, der sich auf seinen eigenen Weg gemacht hat.

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