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Der letzte Riese – Große Orchesterwerke von Max Reger

Max Reger
Theo Schafgans, 1913 © akg-images
27.06.2018
Er war ein Besessener, und als er sich in die Musik verliebte, war es um ihn geschehen, und er opferte ihr sein Leben. Diese Geschichte kann man wohl über viele Komponisten erzählen, aber bei keinem trifft sie einen so empfindlichen Nerv wie bei Max Reger. Der begnadete Komponist arbeitete wie ein Wahnsinniger, bis ihm im Alter von 43 Jahren buchstäblich der Griffel aus der Hand fiel.

Workaholic und Lebemann: Max Reger (1873–1916)

Wer war dieser Mann, der im Vergleich zu seinen großen Generationsgenossen, zu Ravel oder Skriabin so erstaunlich wenig auf den heutigen Konzertprogrammen steht, obwohl er ein ungemein fesselndes Werk hinterlassen hat? Man hat ihn sich als eine robuste, eine urwüchsige Gestalt vorzustellen. Max Reger war ein passionierter Kneipengänger, der sein Bier liebte und wohl auch brauchte, deftiges Essen bevorzugte und für einen eher grobkörnigen bis bizarren Humor bekannt war.
Seine Gesichtszüge drücken Entschiedenheit aus. Doch in seinen Augen erblickt man auch eine diskrete Melancholie. Beides passt zu seiner Musik, die so monumental wie lyrisch, so traditionsbewusst wie visionär ist. Max Reger stand an der Schwelle zur Moderne. Er musste die Grenzen der Tonalität weiten. Seine immense schöpferische Energie, sein Ausdrucksverlangen drängten ihn dazu. Zugleich ist er der große Bewahrer, der Traditionalist. Max Reger hält an der Bachschen Kontrapunktik fest. Sie ist für ihn die Basis jeder guten Musik.

Ureigene Tonsprache: Spätromantiker und Fortschrittsmensch

Aus dieser Spannung zwischen Tradition und Moderne, strengster Formgebung und unbefangenem Forscherdrang lebt Max Reger, und das macht sein Werk so reizvoll. Der aus einfachen Verhältnissen in der Oberpfalz stammende Komponist lässt die Schönheit der Bachschen Harmonik nachklingen und macht sich zugleich auf den Weg in die Zukunft, schafft neuartige, impressionistisch anmutende Klanggebilde.    
Komponistenkollegen erkannten die künstlerische Größe dieses Komponisten auf Anhieb. Arnold Schönberg hielt Max Reger für einen bedeutenden Neuerer, und Paul Hindemith notierte: “Max Reger war der letzte Riese in der Musik.” Dennoch gerieten seine überwältigenden Klangekstasen in Vergessenheit. Liebhaber von Kirchenmusik mögen vielleicht noch Teile seines wild brausenden Orgelwerks kennen.

Musikalische Offenbarung: Entdeckerfreuden

Seine rauschhafte Orchestermusik indes, die den Vergleich mit Richard Strauss nicht zu scheuen braucht, ist heute kaum noch präsent. Es gilt also ein großes Werk zu entdecken, und dazu eignet sich die jetzt erschienene, bislang umfassendste Edition seiner Orchesterwerke ganz ausgezeichnet. Viele der enthaltenen Aufnahmen waren darüber hinaus lange Zeit nicht erhältlich und sind nun erstmalig zusammengefasst in der vorliegenden Ausgabe wieder verfügbar. Die Edition enthält 12 CDs und kann ohne jede Übertreibung als eine musikalische Offenbarung bezeichnet werden. Romantiker, die gefühlsgeladene Klänge lieben, kommen in ihr genauso auf ihre Kosten wie Avantgarde-Begeisterte.
Tief vertraut mit Regers hochkomplexer Klangsprache zeigen sich die Bamberger Symphoniker unter Horst Stein. Aber auch das NDR-Sinfonieorchester und der NDR-Chor überzeugen auf ganzer Linie, etwa mit dem erstmals auf CD erscheinenden, geheimnisvoll umwitterten “Gesang der Verklärten” (Op.71). Absolut fesselnd schließlich: Der Booklet-Essay von Susanne Popp. Die Reger-Expertin führt eindringlich die Größe des Komponisten vor Augen.