Nein, Max Raabe ist keineswegs aus der Zeit gefallen. Das hat der beliebte Chansonnier mit seinen Alben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt. Ob mit seinen Weill-Interpretationen, eigenen Stücken wie “Kein Schwein ruft mich an” oder seinem Album mit Cover-Versionen von Daft Punk bis Tom Jones – der ausgebildete Bariton weiß seine Hörerschaft zu überraschen. Dabei wagt er sich nicht selten in musikalische Gefilde, die auf den ersten Blick gar nicht soviel mit seinem Spezialgebiet, der Musik der 1920er und 1930er Jahre, gemein haben. So kam es im Jahr 2011 zur Veröffentlichung von “Küssen kann man nicht alleine”, einer Gemeinschaftsarbeit von Raabe und Annette Humpe, Ikone der Neuen Deutschen Welle und Kreativkopf hinter dem Popduo Ich & Ich. Das Werk erreichte schnell Platinstatus. „Ohne Annette will ich gar nicht mehr schreiben“, schwärmte Raabe in einem Interview. Und tatsächlich erschien Anfang 2013 die Fortsetzung ihrer Erfolgsgeschichte “Für Frauen ist das kein Problem”.
“Für Frauen ist das kein Problem” – die Zugabe
Nun beglückt uns das Duo mit einer Zugabe-Edition des Albums. “Für Frauen ist das kein Problem – Zugabe” beinhaltet selbstverständlich alle 13 wunderbaren Lieder, von denen Produzentin Humpe liebevoll sagt, ein jedes sei für sich „wie ein Polaroid. Wir machen kleine Fotografien aus dem Leben.“ So kann man mit Stücken wie „Als ich dich wollte“ und „Ich schlaf am besten neben dir“ den großen und kleinen Liebesgeschichten lauschen; sich mit Liedern wie „Ich bin nur gut, wenn keiner guckt“, „Ich bin schuld“ und natürlich dem Titelsong „Für Frauen ist das kein Problem“ kleinen und großen Lebensweisheiten hingeben. Darüber hinaus bietet “Zugabe” viele tanzbare Remixe vom Titelsong und von “Küssen kann man nicht alleine”, u. a. bearbeitet von 2raumwohnung und Electroswing-Pionier Parov Stelar. Auch eine DVD mit allen Videos der zwei Alben liegt der Edition mit bei. Die Erwartungen an eine “Zugabe” werden mit zwei ganz neuen Liedern übertroffen, die ein wenig anders klingen als es Raabe und Humpe bisher vorgemacht haben. Mit Bläsern und Beats fängt “Lass mich rein, ich hör Musik” das Berliner Nachtleben atmosphärisch ein, während “Du passt auf mich auf” mit swingenden Gewand verführt.
Eleganter deutschsprachiger Pop
Mit Annette Humpe hat Max Raabe eine Produzentin engagiert, mit der ihn nur vermeintlich mehr Gegensätze als Gemeinsamkeiten verbinden. Auf die Frage nach dem Geheimnis ihrer erfolgreichen Kooperation entgegnet Raabe stets, beide teilten die Liebe zur Sprache, das Vergnügen am Reimen und einen ähnlichen Humor. Die ideale künstlerische Ergänzung hört man dem Album sofort an. Die Stücke zeugen allesamt von einer großen Sprachgenauigkeit. Klischeesätze sucht man vergebens. Auch musikalisch schlägt sich dies nieder: Statt der überladenen Geste hört man zurückgenommene Arrangements und Melodieführungen, die vor allem von Piano, Bass und Streichern vorangetrieben werden. „Wenn es um die großen Gefühle geht, ist sie genau die Richtige und wenn es zu groß wird, bin ich derjenige der die Handbremse zieht, sodass es wieder kippt und ins Komische gerät“, präzisiert Raabe. Seine Musik ist zeitlos. Zu groß ist Raabes Passion für humorvolles Augenzwinkern, zu ausgeprägt sein Interesse am eigentümlichen Humor, den er vor allem aus dem musikalischen Repertoire der Zwanziger und Dreißiger schöpft und in die Gegenwart holt. Wer sich von der perfekt sitzenden 20er-Jahre Frisur, Frack und Fliege nicht blenden lässt, der erkennt schnell, dass bei aller Stilsicherheit des 51-Jährigen vor allem eine große Neugier in seiner Musik mitschwingt.