Die Deutsche Grammophon hat jüngst ein Album veröffentlicht, das bereits mit dem Zeitpunkt seiner Erscheinung legendär ist. Mit 94 Jahren hat der Pianist Menahem Pressler sein erstes Soloalbum für das gelbe Label eingespielt und beeindruckt darauf mit Interpretationen, die in ihrer klaren Tiefgründigkeit und ihrer ungekünstelten Ausdruckskraft sofort unter die Haut gehen. Jede Note – und sei sie noch so klein – hat eine Bedeutung, keine dynamische Regung wirkt willkürlich. Das Album ist die berührende Hommage an Claude Debussy, Gabriel Fauré und Maurice Ravel von einem der größten Pianisten unserer Zeit.
Debussys Botschafter
Menahem Pressler ist nur fünf Jahre nach dem Tod von Claude Debussy geboren, dessen Todestag sich am 25. März zum 100. Mal jährt. Und es war der erste Preis beim Debussy Wettbewerb in San Francisco, der 1946 den Startschuss für Menahem Presslers glänzende Karriere als Pianist gab. 1890 hat Claude Debussy seine “Suite bergamasque” komponiert, ein poetisches Werk voller Farben und Stimmungen, aus dem vor allem seine verträumte Ode an den Mond, der dritte Satz mit dem Titel “Clair de Lune” berühmt geworden ist. Menahem Pressler kostet jeden Ton darin mit einen so vollkommenen Liebe zum Detail aus, das man das Stück noch einmal ganz neu entdecken kann. Der Pianist kreiert mit seinem Spiel einen zutiefst intimen Raum, den er allein mit den Klängen füllt. Mit einer Auswahl von Préludes und dem Stück “The Little Shepherd” aus Debussys Suite “Children’s Corner”, die er für seine kleine Tochter komponiert hat, bekommt man einen ganz persönlichen Einblick in Debussys Schaffen für Soloklavier. Menahem Pressler ist der ideale Vermittler für den Geist, der diese Musik durchdringt.
Einfühlsamer Rückblick
Die Stücke, die Menahem Pressler für sein Album ausgewählt hat, tragen die ganze filigrane Schönheit, harmonische Komplexität und zarte Virtuosität in sich, für die französischen Komponisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts geschätzt werden.
Die Barcarolle Nr.6 in Es-Dur, op.70 von Gabriel Fauré aus dem Jahr 1896 trägt nahezu minimalistische Züge, die Menahem Pressler mit großer Anmut und Präsizion ausspielt. Die “Pavane pour une infante défunte” ist 1899 entstanden und ein frühes Werk von Maurice Ravel, das er einst als Schüler von Gabriel Fauré in Paris komponiert hat. Das impressionistische Stück ist von einer leisen Melancholie geprägt, in die sich immer wieder kräftige Akkorde mischen. Mit “Miroirs” hat Ravel sechs Jahre später einen Zyklus geschaffen, der als eines der Schlüsselwerke des Impressionismus gilt. In den “Oiseaux tristes” daraus zeigt Menahem Pressler eine Fülle dunkler Töne, die er mit hell perlenden Läufen verziert. Das reizvolle Spiel mit Licht und Schatten prägt das gesamte Album. Menahem Pressler ist ein Meister darin, in musikalische Abgründe zu blicken, ohne sich darin zu verlieren.
Die 13 ausgewählten Stücke haben auf Menahems künstlerischem Weg immer eine besondere Rolle gespielt. Das kann man in den Aufnahmen in jedem Moment hören und spüren. Mit dem Album ist es gelungen, Menahem Pressler als großen Pianisten zu porträtieren und zugleich die berührend uneitle Verneigung des Musikers vor den drei französischen Komponisten einzufangen.