“Der einzig wahre Erfolgsmaßstab für einen Musiker ist ein unverwechselbarer Klang”, erklärte János Starker (1924–2013). Und zweifelsohne gehörte der in Budapest geborene Cellist zur internationalen Liga einer Handvoll Interpreten, die er selbst als “dehors” bezeichnete, jenseits der Kategorisierung. Das Spiel mit breitem Vibrato sah er als verbreitete Unsitte an, ja als Ausdruck technischer Mängel. “Wenn immer alles leicht verstimmt ist, verliert das Ohr die Sensibilität für eine saubere Intonation”, sagte er.
Starkers Stil beruhte dagegen auf einer fokussierten Tongebung, die schwieriger zu realisieren ist, weil Fehlgriffe leichter auffallen. Als besondere Qualität seines Spiels erachtete er die Fähigkeit, dem Celloklang vokale und andere instrumentale Färbungen zu verleihen. Dies, so äußerte der selbstbewusste, doch nie hochmütige und in Gesprächen stets brillant pointierende Musiker einmal in seinen späten Jahren, unterscheide ihn von allen anderen lebenden und verstorbenen Cellisten.
Lebenslanges Lehren und Lernen
Einzigartig war Starker auch in seinem Engagement für den musikalischen Nachwuchs. Schon als 8-Jähriger hatte er begonnen, anderen Kindern Unterricht zu erteilen! Als Professor an der Indiana University unterrichte er von 1958 bis zu seinem Tod. Die Lehre betrachtete er als integrales Element seines Musikerberufs. Zur Begründung verwies Starker immer wieder auf den Besuch eines katastrophalen Konzerts Yehudi Menuhins, jenes britischen Geigers, der seine Laufbahn einmal wie er selbst als Wunderkind begonnen hatte. Dieses Erlebnis hatte den damals 22-jährigen Cellisten zutiefst verunsichert und in eine ernste Krise gestürzt.
“In Alpträumen erschien mir der legendäre Bauer, der sich als Augenarzt ausgegeben hat und, nachdem man ihm die Gefahren seiner Aktivitäten erklärt, nie wieder fähig ist, sie zu wiederholen.” Ein Jahr lang analysierte Starker daraufhin alle Aspekte seines Cellospiels. Mit dem so erlangten neuen Selbstbewusstsein gelang ihm der Sprung in eine Weltkarriere mit nachhaltiger Wirkung auf die Bedeutung des Cellos als Soloinstrument. Seine Erkenntnisse publizierte er in dem Lehrbuch “An Organized Method of String Playing”, das die Grundlage seiner Lehrtätigkeit bildete und auch die zitierte Anekdote beinhaltet – übrigens ohne namentliche Erwähnung Menuhins.
Künstlerische Ausnahmefigur
Starker gab in seiner außergewöhnlichen Karriere als Solist zahlreiche gefeierte Konzerte mit einer Vielzahl bedeutender Orchester und Dirigenten. Beeindruckend sind auch der Umfang und die Qualität seiner über 160 Aufnahmen. Das Repertoire Starkers umfasste alle bekannten Werke der Cello-Literatur ebenso wie von ihm aus der Taufe gehobene neue und weniger bekannte ältere Kompositionen. Bereits für seine erste Einspielung, Kodálys Sonate für Cello solo op.8, 1948 veröffentlicht und zuvor als unspielbar erachtet, erhielt Starker den bedeutendsten französischen Musikpreis Grand Prix du Disque. Dieses Werk nahm er insgesamt viermal auf, die Bachschen Cello-Suiten BWV 1007–1012 sogar noch ein weiteres Mal. Seine letzte Bach-Aufnahme gewann 1998 den Grammy Award für die beste instrumentale Solodarbietung ohne Orchester.
Aushängeschild von Mercury Records, 1959–1966
Die Zusammenarbeit zwischen János Starker und Mercury Records zählt für Klassikliebhaber zu den herausragenden künstlerischen Partnerschaften der Aufnahmegeschichte. Unter Sammlern sind die zwischen 1959 und 1966 mit dem Cellisten produzierten Platten gesuchte Objekte. Der Grund dafür liegt in der unübertroffenen Natürlichkeit und Detailtreue der Aufnahmen des Labels, dessen “Living Presence”-Technologie legendär geworden ist und in Starkers scheinbar grenzenlosem spielerischen Vermögen gleichsam seinen Raison d’être fand.
Digital remastered und versehen mit einem 56-seitigen Booklet, das zahlreiche Fotos, einen Essay von Tully Potter und persönliche Aufnahme-Notizen Starkers enthält, erscheinen die wichtigsten Aufnahmen des großen Cellisten für Mercury Records nun aus Anlass seines 90. Geburtstags in einer limitierten Edition. Die 10CDs starke Box beinhaltet Werke von Bach, Schumann, Brahms, Tschaikowski, Saint-Saëns, Dvořák, Debussy, Bartók und Kodály bis hin zu weniger bekannten italienischen Sonaten. Die Bach-Suiten stehen dabei neben allen wichtigen Cello-Konzerten der Romantik.