Zur Veröffentlichung von Rafael Kubelíks Einspielung von Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung” mit dem Chicago Symphony Orchestra im Rahmen der Olympian Series von Mercury Records im Jahr 1951 hatte ein Kritiker der New York Times seine Hörerfahrung mit den Worten beschrieben, man habe das Gefühl, sich in leibhaftiger Gegenwart des Orchesters zu befinden. Seinen Ausdruck “Living Presence” nutzte die Plattenfirma fortan als Titel für die Serie bahnbrechender Aufnahmen der folgenden Jahre, die für Musikliebhaber, Audiophile und Sammler bis heute Kultstatus besitzt.
Realistischer Stereo-Klang
War die Mussorgsky-Aufnahme noch monophon, mit einem einzigen, über dem Orchester installierten Mikrophon realisiert worden, setzte Mercury Living Presence ab 1955 drei Mikrophone zur Aufzeichnung eines stereophonen Klangbildes von klassischer Musik ein. Das auf Tonband aufgezeichnete dreikanalige Signal reduzierte man auf zwei Tonkanäle bevor direkt auf Schallplatte gepresst wurde; eine weitergehende Manipulierung durch Kompressoren, Equalizer oder andere Klangprozessoren wurde nicht vorgenommen, Dynamik und Balance der Aufnahmen sind direktes Ergebnis der Entscheidungen des Dirigenten und der Musiker. In dieser klaren Philosophie diente die Technologie dazu, die Darbietungen der Künstler so unverfälscht und wahrhaftig wie möglich abzubilden.
“Living Presence” auf CD
Ende der 80er Jahre holte man die 1964 in Ruhestand gegangene Hauptverantwortliche der “Living Presence”-Aufnahmen Wilma Cozart Fine als Projektleiterin zurück ins Studio und stattete sie und ihr Team mit den Tonbändern und der analogen Technologie von einst aus, um die Übertragung der analogen Schätze ins digitale CD-Format so originalgetreu wie möglich zu gewährleisten. In bisher einzigartigem Umfang dokumentiert “Mercury Living Presence: The Collector’s Edition” jetzt auf 51 CDs die Geschichte des legendären Klassik-Labels.
Neben Referenzaufnahmen von Strawinskys “Petruschka” und “Le sacre du printemps” sowie Mussorgskys “Bilder einer Ausstellung” enthält die Box herausragende Einspielungen von Dirigenten wie Antal Dorati, Stanisław Skrowaczewski und Rafael Kubelík und Instrumentalisten wie Yehudi Menuhin und János Starker. Weitere Höhepunkte sind die während der ersten Reise eines westlichen Aufnahmeteams in die Sowjetunion entstandenen “Balalaika Favorites” mit dem Osipov State Russian Folk Orchestra, Howard Hansons höchstselbst dirigierte Symphonien 1 & 2 und ein Interview mit “Living Presence”-Mastermind Wilma Cozart Fine.