Das zweite Album ist oft das schwerste. Die Überraschung des Debüts ist verflogen, nun will die Musikwelt wissen, ob der Künstler seine Versprechen einhalten kann. Der
Gitarrist Miloš Karadaglič gehörte zu den Senkrechtstartern des vergangenen Jahres und mit
„Latino“ zeigt er nun, dass er dauerhaft auf dem Weg zur Spitze ist.
Es begann mit Villa-Lobos Die Gitarre ist ein leises Instrument, aber auch eines, das viele rhythmische und dynamische Nuancen zulässt. Damit ist sie prädestiniert für eine Musik, die gerade mit diesen Feinheiten spielt. Eine Musik, wie sie zum Beispiel
Heitor Villa-Lobos im Sinn hatte. Der brasilianische Komponist hatte nicht umsonst dem ersten großen Virtuosen der modernen Gitarre,
Andrés Segovia, Etüden auf den Leib geschrieben, die dieser dann mit entsprechender Eleganz auch umzusetzen verstand.
Originale, Adaptionen Aber er war natürlich nicht der einzige, der sich von dem Instrument faszinieren ließ.
Agustín Barrios Mangoré und
Leo Brouwer,
Manuel Poncé und
Isaías Savío gehörten ebenso dazu und nach ihnen viele weitere Komponisten und Interpreten, die eigene Stücke schrieben oder besonders reizvolle Melodien, die für andere Instrumente entstanden waren, für die Gitarre adaptierten. So war die Auswahl groß, die
Miloš Karadaglič zur Verfügung stand, als er das Programm für „Latino“ zusammenstellte.
Die eigenen Wurzeln „Mediterráneo“ war zunächst eine Positionsbestimmung. Mit diesem Debüt stellte sich Miloš Karadaglič als neue Kraft am Instrument vor, geboren in Montenegro, ausgebildet unter anderem an der Royal Academy of Music in London, aber noch immer sich seiner kulturellen Wurzeln bewusst, die ihn zur Gitarre und dem klassischen Repertoire geführt hatten. Damit avancierte er beispielsweise zum
„Young Artist Of The Year 2011“ im Ranking des renommierten britischen Magazins Gramophone und sicherte sich in Windeseile einen Spitzenplatz in der Wertschätzung von Publikum wie auch der Kritik. „Latino“ aber sollte nun ein Stück über den Kosmos von „Mediterráneo“ hinaus gehen.
Latino – Ein Blick über den Tellerrand „Ein großer Teil des schönsten Gitarrenrepertoires kommt aus Lateinamerika, und selten ist mir eine Entscheidung so leicht gefallen wie bei der Wahl des Themas dieser CD“, erinnert sich
Miloš Karadaglič an die Vorbereitungsphase zu
„Latino“: „Bei einigen Stücken dieses Albums habe ich auch mein gewohntes Terrain verlassen, da ich alle unterschiedlichen Aspekte und Facetten dieser Kultur aufzeigen wollte.“ Dieser offene Zugang ermöglichte es dem Künstler daher, das Spektrum auch über den engen Rahmen der musikalischen Klassiker für die Gitarre hinaus auszuweiten.
Von Tango bis Samba Astor Piazzolla zum Beispiel war zwar ein großartiger Bandoneonist und innovativer Komponist, aber kein Spezialist für die Gitarre. Er ist aber auf „Latino“ trotzdem mit zwei berühmten Stücken, dem „Libertango“ und „Oblivion“ vertreten. Ähnliches gilt für
Gerardo Hernán Matos Rodrígues, dessen Ohrwurm „La Cumparsita“ als Inbegriff der südamerikanischen Musik überhaupt gelten kann. Stephen Gross hat das Stück für die Gitarre bearbeitet und Miloš Karadaglič spielt es mit betörender Raffinesse.
Souverän der Saitenkunst Überhaupt fühlt sich der 29jährige Virtuose hörbar wohl mit diesen Liedern und Meisterwerken von Jorge Morel und Heitor Villa-Lobos über Leo Brouwer und Osvaldo Farrés bis Carlos Gardel und Jorge Cardoso. Egal ob
Tango oder konzertante
Samba,
Milonga oder Klassiker des Brasilianischen – „Latino“ präsentiert einen jungen Souverän der Saitenkunst, der mit dem zweiten Album seiner Karriere weiter in Richtung Spitze der Gitarrenmusik unterwegs ist.