Es gab einmal eine Zeit, da musste man in Deutschland über eine Grenze fahren, um nach Berlin zu kommen. Damals war die Stadt eine der Nahtstellen des Kalten Krieges und ein Konzert diesseits der Mauer konnte zur politischen Botschaft werden. Zum Beispiel wenn ein Starmusiker wie Mstislav Rostropowitsch spielte, der aus seiner oppositionellen Meinung gegenüber den Kommunisten in seiner russischen Heimat keinen Hehl machte.
Die Nachricht, dass der Meistercellist nach Berlin kommen würde, verbreitete sich in Kennerkreisen in Windeseile. Für den jungen Musikkritiker und Publizisten Peter Cossé war das eine Sensation: “Mstislav Rostropowitsch, so hieß es, werde in Berlin – im geteilten, geplagten, bedrohten Berlin des ‘Kalten Krieges’ wohlgemerkt – unter der Leitung von Herbert von Karajan das Cellokonzert von Dvorak spielen. Und im Umfeld dieses künstlerischen Großereignisses würden die Berliner Philharmoniker, Rostropowitsch und Karajan das Werk zusammen mit Tschaikowskys ‘Rokoko-Variationen’ auch für die Schallplatte aufnehmen. Und sie taten es: mit der brillanten Inbrünstigkeit des Gefühlsvirtuosen Rostropowitsch, mit der überlegenen Koordinations- und Motivationskraft eines Dirigenten von Weltgeltung und mit der bewegten Farbigkeit, die den Berliner Philharmonikern in jeder konzertanten Situation zu Gebote stand und die ihre Aufnahmen zu Dokumenten eines Austausches und eines sich gegenseitig befruchtenden Dialogs mit jedem berufenen Solisten gemacht haben”.
Die Aufnahmen fanden im September 1968 in der Jesus-Christus-Kirche statt und gehörten bald zu den großen kommerziellen Erfolgen des Cellisten aus Baku. Denn das Renommierstück, das der Prager Komponist anno 1895 vollendet hatte – obwohl er das Instrument eigentlich nicht mochte, weil es “unten brummt und oben schreit” -, schien wie für Rostropowitsch geschaffen. Hier konnte er die ganze Kraft seines lyrischen Tones, die Palette vom mächtigen Pathos bis zur verschmitzten Melodie entwickeln, eingebettet in einen sinfonischen Klangkörper, der präzise differenziert und zugleich dynamisch vital den passenden Rahmen bot. Die Aufnahme wurde ein Erfolg, nicht zuletzt auch deshalb, weil Rostropowitsch damals zu den gefragtesten Exportkünstlern der Sowiet-Union gehörte. Obwohl bereits seit 1959 Professor am Moskauer Konservatorium und in der russischen Föderation ein Star, hatte er erst 1964 mit einem Deutschlandkonzert seine internationale Karriere begonnen. Sie führte ihn, aufgrund seiner politisch oppositionellen Haltung, im Jahr 1974 in der Westen und kostete ihn seine russische Staatsbürgerschaft, die er erst 1990 nach einer Tournee durch seine Heimat mit dem National Symphony Orchestra von Washington wieder bekam. Die Taubheit der Kommunisten jedenfalls muss frappant gewesen sein. Denn spätestens mit der Aufnahme des Dvorak-Konzertes war klar geworden, dass Rostropowitsch zu den größten Musikern des Jahrhunderts gehörte.
Die Referenz:
"Karajan mit den Berliner Philharmonikern entwickelt schmiegsame, luxuriöse Klangpracht, auf der sich’s Rostropovichs kerniger voluminöser Celloton wohlsein lassen kann. Die bedingungslose Identifikation dieses Cellisten mit der Musik vermag gerade diesen beiden Werken Glanz und faszinierende Intensität zu geben.(U. Debelius in HiFiStereophonie 1/70) "