Murray Perahia | News | Lyrische Zartheiten – Murray Perahia spielt Bachs Französische Suiten

Lyrische Zartheiten – Murray Perahia spielt Bachs Französische Suiten

Murray Perahia
© Felix Broede / DG
06.10.2016
“Nicht von dieser Welt”, so untertitelten die beiden Regisseure Holger Preusse und Claus Wischmann 2010 ihren Dokumentarfilm über den US-amerikanischen Dirigenten und Pianisten Murray Perahia. Was aufs Erste wie eine unstatthafte Heroisierung anmutet, versteht jeder, der Murray Perahia schon einmal Klavier spielen gehört hat oder live auf der Bühne erleben durfte. Der 1947 in New York geborene Ausnahmepianist versteht sich glänzend darauf, erhebende Stimmungen zu erzeugen.
Mit Murray Perahia verschwindet man aus dem Alltag und findet sich in Sphären wieder, in denen die reinste Harmonie herrscht. Insofern ist sein Spiel wirklich nicht von dieser Welt, und dass der amerikanische Pianist sich besonders intensiv mit dem Werk von Johann Sebastian Bach beschäftigt hat, kann unter diesem Vorzeichen kein Zufall sein, gilt doch die hohe Kunst des Eisenacher Altmeisters als transzendent, die menschlichen Grenzen überschreitend, eben: nicht von dieser Welt.

Unbändige Tanzlust: Die Französischen Suiten

Das neue Album von Murray Perahia bekräftigt diese selbstverständliche Nähe zu Bach. Der amerikanische Pianist verleiht den Französischen Suiten eine lyrische Anmut, dass man nur mehr staunen kann und nach dem Durchhören des Albums vollkommen überwältigt ist. Dabei gehören die Französischen Suiten zu den weltlichen Kompositionen Johann Sebastian Bachs. Sie leben nicht von entrückten Stimmungen, sondern von unbedingter Tanzbereitschaft, gepaart mit sinnlicher Lust an schönen Harmonien.
Doch Murray Perahia gibt den Französischen Suiten eine klangliche Reinheit, Unschuld und Einfachheit, dass einem unweigerlich die Formel “nicht von dieser Welt” in den Sinn kommt. Jedenfalls wundert man sich bei diesem Album stets aufs Neue, wie natürlich der hochkomplexe Bach klingen kann. “Die Französischen Suiten”, so Perahia selbst, “sind Bach auf höchstem Niveau, auch wenn es Stücke sind, mit denen sich auch Kinder beschäftigen könnten.”     

Vollendete Spielkultur: Perahia in Hochform

Im Gegensatz zu vielen anderen Pianisten, die das Pedal bei Bach strikt ablehnen, setzt Murray Perahia es diskret ein. Dadurch klingen die Suiten weicher, und das stimmungsvolle, lyrische Moment tritt stärker hervor als zum Beispiel bei Glenn Gould, der größeres Gewicht auf die kontrapunktische Strenge und Transparenz des Klangs legte. Das Frappierende bei Perahia: Obwohl er Bach lyrisch, mit großzügigem Legato interpretiert, erklingen die komplexen Harmonien Bachs glasklar.
Nur der Gesamtklang ist weicher und erinnert von Ferne an die legendären Chopin-Interpretationen von Murray Perahia. Dazu passt, dass der amerikanische Pianist seine Beschäftigung mit romantischer Literatur zutiefst von Bach geprägt sieht. Für Perahia ist Bach so essenziell, dass man die europäische Musikentwicklung ohne ihn gar nicht begreifen kann: “Bachs Musik ist so voller Freude, Lebendigkeit und Spiritualität, dass sie die gesamte spätere Musik beeinflusst hat und bis heute prägt.”
“Johann Sebastian Bach: The French Suites” erscheint als Doppelalbum und ist die erste Veröffentlichung, die Murray Perahia seit seiner Unterzeichnung bei Deutsche Grammophon am 8. September 2016 vorlegt. Der amerikanische Pianist, der auf seinen 70. Geburtstag im kommenden Jahr vorausblickt, wird – übrigens genau wie sein Mentor Vladimir Horowitz – sein Spätwerk beim Gelblabel veröffentlichen. Die Französischen Suiten sind ein fulminanter Anfang, der Lust auf mehr macht.        

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