Was für eine tighte Band! Der wie ein Zen-Meister wirkende Pianist und Komponist
Nik Bärtsch spielte mit seinem Quartett Mobile im Berliner Techno-Tempel
Berghain. Die Band, die aus Piano, Bass- und Kontrabass-Klarinette, gestimmter Perkussion und Schlagzeug besteht, hat er 1997 gegründet. Vor 15 Jahren veröffentlichte er mit Mobile das Debütalbum
“Ritual Groove Music”: ein programmatischer Titel, an den er mit seinem neuen, am 18. März 2016 erscheinenden Album
“Continuum”, seinem fünften beim
ECM-Label, anknüpft.
Ähnlich wie
György Kurtag ist Bärtsch ein Verfechter des Fragments und der Verdichtung. Er hat Musik, Philosophie und Linguistik studiert und weiß auch seine Worte zu wählen. Der Bandname
Mobile passt perfekt. Die vier Musiker pendelten sich in eine Balance zwischen Bewegung und Ruhe. Jedes Instrument war wie eine Achse, von der aus die anderen im Raum schwangen. Kaleidoskopisch verschoben sich die gespielten Patterns in einem polyrhythmischen Groove. Mal waren die stoischen Piano-Figuren von Bärtsch der Dreh- und Angelpunkt, dann die voluminöse, schamanische Basstrommel von Schlagzeuger
Kaspar Rast, kontrapunktiert von wer-weiß-wie-vielen-verschiedenen Beckenklängen und dem Glockenspiel des Samurai-bezopften Perkussionisten
Nicolas Stocker, darunter dampfte, mampfte, schnaufte, grummelte und groovte die großartige Kontrabassklarinette eines jungen Zürcher New-Music-Bläsers namens
Sha.
Das war Musik in der Präzision eines Uhrwerks, die bei manchem Hörer wirkte wie die zerflossenen Uhren von Dalis Gemälde Die Beständigkeit der Erinnerung. Sekunden, Stunden, Tage? Schon bei diesem für Bärtsch kurzen Konzert (er hat verschiedene über 36 Stunden gegeben) verlor man leicht das Zeitgefühl, zerfloss der Moment, verdichtete sich die Länge, es blieb ein Zustand der Konzentration.
Im zweiten Set wurden
Nik Bärtsch und Band dann luftiger, verstärkt von einem Streichquintett, das auch beim neuen Album mitgewirkt hat, ein gut inszenierter Spannungsbogen. Immer noch war es Musik zum Krimi und nicht zum Liebesroman. Wäre sie ein Planet, sie wäre Saturn und nicht Venus. Ihn interessiere “das Befragen und Neubetrachten des ständig Wiederkehrenden”, sagte Bärtsch im
Interview mit dem SRF. Dabei sei es ihm wichtig, “jeden einzelnen Moment so ernst zu nehmen, als ginge es um Leben und Tod”. Simon Purcell vom Londoner Trinity-Konservatorium, der Bärtsch als Dozenten für Workshops und Meisterklassen verpflichtete, nannte ihn einen “furchtlosen Kreativen”. 2015 ist er für den renommierten
Schweizer Musikpreis nominiert worden und hat ein Werk für den
RIAS-Kammerchor komponiert.
Hier kehrte Bärtsch zu seinen Wurzeln zurück: seiner zeremoniell, rituell, akustisch und analog gespielten Musik zwischen
Jazz, Funk, Neuer Musik und
Minimalismus. Zum Ende des Abends, nach der ersten Zugabe, drehten sie noch einmal auf, zeigten eine rhythmische Flexibilität und ein musikalisches Charisma, die beim letzten Zuhörer die Vorfreude auf ihr neues Album schürten. Mit den DJs Clé und Alex Barck neben den Visuals der Pfadfinderei klang dieser beeindruckende Abend aus.
Sehen Sie hier Fotos vom gelungenen Konzertabend mit Nik Bärtsch’s Mobile im Berliner Berghain!