Die Reihe „Originals“ steht für Meilensteine der Aufnahmegeschichte, die neu ediert und sorgfältig remastered wieder aufgelegt werden. Es ist eine Möglichkeit, Koryphäen der vergangenen Jahrzehnte neu zu entdecken, aber auch die Stars der Gegenwart anhand wegweisender Einspielungen auf ihrem Weg an die Spitze der Klassikwelt retrospektiv begleiten zu können. Kein Wunder, dass diese Serie inzwischen zu den beliebtesten Reihen des Katalogs der Deutschen Grammophon und ihrer Schwesterfirmen zählt. Und auch in der aktuellen Runde gibt es wieder zwei Handvoll grandiose Aufnahmen, die im originalen, den klangtechnischen Errungenschaften der Gegenwart angepassten Gewand Freunde großer musikalischer Momente begeistern werden. Allen voran die Aufnahmen des jungen Ivo Pogorelich aus den frühen Achtzigern, Leonard Bernsteins „Mahler 9“ mit den Berliner Philharmonikern von 1979 und die wunderbaren „Liebeslieder-Walzer“ von Johannes Brahms unter Mitwirkung unter anderem von Dietrich Fischer-Dieskau.
Spektakulär war, als Martha Argerich 1980 die Jury des Chopin-Wettbewerbs unter Protest verließ, weil ihre Kollegen Ivo Pogorelich ausgeschlossen hatten. Der gerade 22jährige junge Serbe sei ein Genie, gab sie zu Protokoll, und sorgt damit für reichlich Wirbel in der Klassikwelt. Ein Jahr später bekam Pogorelich dann von der Deutschen Grammophon die Möglichkeit, sein Talent auch mit einer Aufnahme unter Beweis zu stellen. Sein Recital mit der späten op.111 Sonate von Beethoven, Schumanns „Symphonischen Etüden op.13“, dessen „C-Dur-Toccata“ und ein paar Stücken von Frédéric Chopin wurde natürlich sehr unterschiedlich wahrgenommen, wobei niemand dem neuen Star der Klavierszene sein Können absprach, sondern manch einer sich lediglich an der Leichtigkeit störte, mit der Pogorelich einige Details uminterpretierte. Allein die Passage, wenn das rätselhafte Spätwerk Beethovens im zweiten Satz ins Ragtimehafte kippt, um dann wieder faszinierend zart in das Finale zu leiten, ist ein großer Wurf, wie überhaupt die ganze Aufnahme von einer Mischung aus Wucht und Leidenschaft, Individualität und Ungestüm geprägt ist, die auch nach beinahe drei Jahrzehnten vollkommen aus dem Rahmen fällt. Ein Kapitel der „Originals“, das Schallplattengeschichte geschrieben hat.
Ebenso wie Leonard Bernsteins Aufnahme von Gustav Mahlers „9.Symphonie“ mit den Berliner Philharmonikern. Sie entstand im Oktober 1979 und war das einzige Mal überhaupt, bei dem der amerikanische Pultstar mit dem Weltklasseorchester zusammenarbeitete. Unmittelbarer Anlass war ein Benefizkonzert, das für Amnesty International organisiert worden war. Leonard Bernstein schaffte es, dem auf Karajan geeichten Orchester einen völlig anderen Klang zu entlocken, der nicht nur die Menschen im Saal, sondern auch die Kollegen von der Presse begeisterte. „Eines der aufregendsten Konzertereignisse im Nachkriegsdeutschalnd“, urteilte damals der Rezensent der Fachzeitschrift Stereoplay und ergänzte: „Bernstein selbst hat die Intensität dieser Aufführung mit dem Amsterdamer Concertgebouw nicht wieder erreicht“. Keine Frage, dass auch diese Live-Aufnahme ein Schmuckstück der aktuellen „Originals“-Edition darstellt. Ebenso wie die „Liebeslieder-Walzer“, die 1981 mit dem Vokal-Starquartett aus Edith Mathis, Brigitte Fassbaender, Peter Schreier und Dietrich Fischer-Dieskau entstanden, die bei diesen Couplets und Albumblättern abwechselnd von Karl Engel und Wolfgang Sawallisch am Klavier begleitet wurden. „Von nun an sollte gerade diese Einspielung künstlerische Maßstäbe setzen“, meinte der Rezensent des FonoForums und brachte damit die Meinung auch vieler seiner Kollegen auf den Punkt.
Neben diesen drei legendären Einspielungen finden sich noch sieben weitere auf der aktuellen Liste herausragender Aufnahmen, die mit „Originals“ wieder in die Läden gebracht werden. Valery Gergiev zum Beispiel widmet sich mit einem Programm names „White Nigths“ dem russische Komponisten-Dreigestirn Tschikowsky, Borodin und Glinka. Der jazzerfahrene André Previn spielt Gershwins „Rhapsody In Blue“ und dessen Klavierkonzert. Rafael Kubelik wendet sich auf 2CDs zusammen mit den Berliner Philharmonikern den vier Symphonien von Robert Schumann zu, Sir John Eliot Gardiner wiederum dirigiert „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms. Ein besonderes Highlight für die Fans der historischen Aufführungspraxis ist das Programm „Le Parnasse Français“, das die Musica Aniqua Köln unter Reinhard Goebel mit französischem Barock unter anderem von Couperin, Leclair, Rebel und Marais zusammen führt. Schließlich glänzt noch Jessye Norman in Purcells „Dido and Aeneas“ und der pianistische Großmeister Claudio Arrau spielt die Hits aus dem Beethoven-Sonatenfundus, die „Pathétique“, die „Mondscheinsonate“ und die „Appasionata“. Jede dieser CDs ist für sich genommen bereits ein Juwel der Klangkunst. Alle zusammen tragen sie dazu bei, dass das Renommee der „Originals“-Reihe sorgfältig und hochqualitativ gepflegt wird.