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Der schüchterne Star – Radu Lupus gesammelte Decca-Einspielungen

Radu Lupu © Mary Roberts / Decca
© Mary Roberts / Decca
06.10.2010
Radu Lupus Konzerte gelten als Sternstunden des musikalischen Lebens und locken sogar renommierte Kollegen ins Publikum. Mitsuko Uchida beispielsweise hält ihn für einen der bemerkenswertesten Musiker, der ihr je begegnet ist, Daniel Barenboim ist fasziniert von dessen Klangverständnis und Sir Colin Davis bezeichnet ihn als „einen Interpreten, dessen Pianissimi, rhythmische Intelligenz und, jawohl, Läufe unglaublich sind, dessen starke Musikerpersönlichkeit aber (wie die von Orpheus) durch Untertreibung und nahezu stoische Nachdenklichkeit zum Ausdruck kommt. Er interessiert sich nur für die Musik und drängt weder ihr noch sich selbst irgendeine Theorie auf“. Womöglich liegt diese Sensibilität darin begründet, dass Radu Lupu ursprünglich Komponist werden wollte. Im rumänischen Galati geboren, bekam er bereits als Sechsjähriger Klavierunterricht und erwies sich schnell als ungewöhnlich begabt. Sein erstes Konzert gab er 1957 ausschließlich mit eigenen Werken. In den folgenden Jahren kam er ausführlich mit dem klassischen und romantischen Repertoire in Kontakt und nahm im Angesicht der Koryphäen der Vergangenheit von dem Gedanken Abstand, durch eigene Werke zu brillieren.

Radu Lupu bekam Unterricht bei Florica Muzicescu, die bereits Dinu Lipatti auf den Weg gebracht hatte, und schaffte es 1961 durch ein Stipendium, in Moskau von Heinrich Neuhaus unter die Fittiche genommen zu werden. Der Junge aus der sozialistischen Provinz bewährte sich, gewann 1966 den Van Cliburn-Wettbewerb, 1967 den Enescu-Wettbewerb und 1969 die Ausscheidung im englischen Leeds. Spätestens nach dieser Serie von Erfolgen konnte er sich nicht mehr vor der internationalen Szene verbergen und wurde zum Teil des Konzertbetriebes. Sein Repertoire setzte sich bevorzugt aus Klassikern der Klavierliteratur zusammen, vor allem Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms übten auf ihn eine enorme Faszination aus. Er ließ sich Ende der Sechziger in London nieder, arbeitete von da an mit zahlreichen großen Orchestern und berühmten Dirigenten von Daniel Barenboim bis Herbert von Karajan. Und er setzte sich auch immer wieder mit Aufnahmen auseinander, die er für die Decca verwirklichte und die nicht selten mit begehrten Preisen der Szene wie dem Grammy Award oder dem Edison Award ausgezeichnet wurden.

Insgeheim jedoch blieb Radu Lupu ein schüchterner, zurückhaltender Mensch, der die Öffentlichkeit scheut und sich immer noch wundern kann, dass die Zuhörer ihn verehren. Und er war nie gerne im Studio, auch wenn das Ambiente ihn als Magier der Intensität präsentierte. Die Box „Radu Lupu – Complete Decca Solo Recordings“ ist daher eine Zusammenstellung von Hörjuwelen, die er sich und seiner Künstlerseele über vier Jahrzehnte hinweg abgetrotzt hat, und sie dokumentieren einen in jeder Hinsicht reifen Künstler, der Klaviersonaten und verschiedene Zyklen mit Klavierstücken von Johannes Brahms ebenso zum Leuchten bringt wie die für ihre Komplexität gefürchteten Sonaten von Franz Schubert. Radu Lupu huldigt mit betörender Zartheit Robert Schumanns „Humoreske“, verzaubert die „Kinderszenen“, erhebt die „Kreisleriana“ zum Kunstwerk oder taucht tief in das musikalische Innenleben ausgewählter Beethoven-Sonaten ein. Er schafft Musik, die voll magischer, manchmal rätselhaft intensiver Momente die Aufmerksamkeit des Hörers bannt. Aufnahmen mit Material für insgesamt 10 CDs hat er im Laufe der Jahrzehnte mit der Decca verwirklicht. Sie sind nun in einer sorgfältig edierten Edition zusammengefasst und präsentieren den Künstler, der im November seinen 65. Geburtstag feiert, mit einer Schatztruhe der pianistischen Juwelen.

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