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Ein schüchterner Star

07.12.2005
Radu Lupu macht sich rar. Seine letzten offiziellen Studioaufnahmen wurden 1995 veröffentlicht, seitdem muss das Publikum mit den vorhandenen Meisterwerken oder mit Konzerten Vorlieb nehmen. Denn der rumänische Pianist misstraut der Archivierung, nicht weil er sie fürchten müsste, sondern weil sie ihn einschränkt und gehemmt werden lässt. Am 29. November feierte der schüchterne Star weitgehend unbemerkt von der Feuilleton-Öffentlichkeit seinen 60.Geburtstag und die Decca ehrt ihn aus diesem Anlass mit einer opulenten Edition, die in drei Boxen à 4 bzw. 3CDs jeweils seine vielprämierten Einspielungen von Beethovens, Brahms' und Schuberts Werken zusammenfasst.
Radu Lupu wollte ursprünglich Komponist werden. Im rumänischen Galati geboren, bekam er bereits als Sechsjähriger Klavierunterricht und erwies sich schnell als ungewöhnlich begabt. Sein erstes Konzert gab er 1957 ausschließlich mit eigenen Werken, allerdings kam er in den folgenden Jahren ausführlich mit dem klassischen und romantischen Repertoire in Kontakt und nahm im Angesicht der Koryphäen der Vergangenheit von dem Gedanken Abstand, durch eigene Werke zu brillieren. Lupu bekam Unterricht bei Florica Muzicescu, die bereits Dinu Lipatti auf den Weg gebracht hatte, und schaffte es 1961 durch ein Stipendium, in Moskau von Heinrich Neuhaus unter die Fittiche genommen zu werden. Der Junge aus der sozialistischen Provinz begann, sich zu bewähren, gewann 1966 den Van Cliburn-Wettbewerb, 1967 den Enescu-Wettbewerb und 1969 die Ausscheidung im englischen Leeds. Spätestens nach dieser Serie von Erfolgen konnte er sich nicht mehr vor der internationalen Szene verbergen und wurde zum Teil des Konzertbetriebes. Sein Repertoire setzte sich bevorzugt aus Klassikern der Klavierliteratur zusammen, vor allem Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann und Brahms übten auf ihn eine enorme Faszination aus. Er ließ sich Ende der Sechziger in London nieder, arbeitete von da an mit zahlreichen großen Orchestern und berühmten Dirigenten von Daniel Barenboim bis Herbert von Karajan. Und bis zum Jahr 1994 setzte er sich auch immer wieder mit Aufnahmen auseinander, die er für die Decca verwirklichte und die nicht selten mit begehrten Preisen der Szene wie dem Grammy Award oder dem Edison Award ausgezeichnet wurden.

Insgeheim jedoch ist Radu Lupu ein schüchterner, zurückhaltender Mensch, der die Öffentlichkeit scheut und sich immer noch wundern kann, dass die Zuhörer ihn verehren. Als er im vergangenen Sommer nach zehn Jahren Abstinenz in London im Rahmen einer Gala wieder als Solist auf die Bühne stieg – er sprang für den erkrankten Murray Perahia ein – und vom Publikum umjubelt wurde, war es ihm schon beinahe peinlich, schließlich hatte er nur das gemacht, was ihm ein Bedürfnis ist, und Musik gespielt. Als Stück hatte er Schuberts späte Sonate in B-Dur ausgewählt, der er eine derart hypnotische Form zu geben verstand, dass sich die Kritiken überschlugen vor Lob. Sie ist auch Teil der Schubert-Box der Decca-Lupu-Reihe, allerdings in der Grammy-prämierten Version von 1994 und als ein Meisterstück neben acht anderen Schubert-Sonaten, den “Moments Musicaux D780” und den 2 “Scherzos D593”. Hier wie auch in der Box mit Sonaten, kurzen Klavierstücken, dem “1.Klavierkonzert” von Johannes Brahms und der Kompilation mit den Fünf Konzerten von Beethoven, drei Sonaten, zwei Rondos, den “Variationen über ein eigenes Thema c-Moll WoO 80” und dem “Es-Dur Quintett” des Komponisten beweist Lupu seine enorme Kompetenz im Umgang mit Farben und Spannungsbögen. Egal welchem Werk er sich annimmt, er macht es zu seinem eigenen und gibt ihm eine Dramaturgie, die voll magischer, manchmal rätselhaft intensiver Momente die Aufmerksamkeit des Hörers bannt. Da kann man nur seufzen angesichts der Werke, die im Laufe des vergangenen Jahrzehnt unaufgenommen blieben und um so mehr sich freuen über die großartigen Interpretationen, die im Rahmen der Decca-Lupu-Edition nun fachkundig ediert und kommentiert auf CD erhältlich sind.

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