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Die ganze Pracht – Rafał Blechacz spielt Chopins Polonaisen

Rafal Blechacz: Polonaises
© Felix Broede / DG
06.09.2013
Frédéric Chopin hat dem Klavier neue Richtungen gewiesen. Zuvor hatte Beethoven versucht, die Komplexität des Sinfonischen auf das Instrument zu übertragen und die Romantiker führten es in ein Traumreich der musikalischen Fantasie. Chopin aber verknüpfte die Aspekte des Ästhetischen und Intellektuellen mit der Welt der Emotion und des Tanzhaften auf eine Weise, die dem Klavier einen Kosmos der Intensität erschloss. Dementsprechend groß ist daher die Konkurrenz für junge Pianisten, die sich mit den Werken des polnischen Komponisten beschäftigen. Spielt man Chopin, muss man sich erst einmal von den Übervätern der Interpretation wie Horowitz, Rubinstein, Pollini freimachen, und sich den Werken mit veränderter Spielhaltung nähern. Steht aber nicht mehr der Salonlöwe oder der große Nationalmusiker im Mittelpunkt, sondern Chopin, der Mensch, der seine persönlichen emotionalen Kämpfe in klingende Form gebracht hat, dann lassen sich der Musik andere, zeitgemäße und individuelle Aspekte abgewinnen.

Ein Revolutionär
Denn Frédéric Chopins Biographie ist eng mit seiner Schaffenskraft verknüpft. Der Sohn eines aus Frankreich stammenden Sprachlehrers und einer Polin war bereits als Achtjähriger derart virtuos am Klavier, dass er bei Konzerten das Publikum zu Begeisterungstürmen hinriss. Kaum ein Jahrzehnt später war er europaweit bekannt, als Pianist, der übrigens ein ausgezeichneter Improvisator gewesen sein muss, und auch als Komponist. Von 1831 an wirkte er vom Pariser Exil aus, geflohen vor den Repressionen des konservativen Metternich-Systems, das Polen unterdrückte, als Star der Salons und Zentrum kultureller Kreise, zu denen auch Franz Liszt, Hector Berlioz oder Heinrich Heine gehörten. Er erkrankte an Tuberkulose, zog sich 1848 zunächst nach Mallorca zurück, kehrte für Tourneen nach England und Schottland zurück und starb 1849, viel zu jung, in Paris. Sein Stil veränderte die Musikwelt. Der Belcanto der boomenden Oper etwa und das Unmittelbare der polnischen Folklore inspirierten seine Melodieführungen. Die Ornamentierung und rhythmischen Differenzierung, die modulationsreiche und chromatische Harmonik, überhaupt die raffinierte Ausarbeitung seiner Stücke machten sein Werk einzigartig und zu einer umfassenden Inspirationsquelle für die Musik der folgenden Jahrzehnte bis hin zu Gegenwart.

Das Wunder von Warschau
Kein Wunder also, dass auch Rafał Blechacz wieder zu Chopin zurückfindet. Schließlich hatte mit dessen Stücken beim renommierten Chopin-Wettbewerb 2005 in Warschau auch seine eigene Karriere begonnen. Damals gewann der gerade 20jährige Rafał Blechacz nicht nur mit Bravour den ersten Platz. Zum ersten Mal überhaupt konnte ein Solist gleich vier Sonderpreise für sich verbuchen, für die beste Mazurka, die beste Polonaise, das beste Konzert und die beste Sonate. Außerdem wurde kein zweiter Platz vergeben, mit der Begründung, dass der nötige Abstand zu seinem Ausnahmetalent auch in der Preisvergabe sich ausdrücken müsse. Das darauf folgende Album mit den “Préludes” untermauerte nicht nur das Urteil der Jury in Form eines Tonträgers, sondern eroberte auch Kritik und Publikum im Sturm. Seitdem spielte Blechacz klassische Sonaten von Haydn bis Beethoven, auch Debussy, ließ sich aber Zeit, abermals mit Chopin zu brillieren.

Die frischen Polonaisen
Nun also ist es soweit: “Polonaises” knüpft an die “Préludes” an, auch wenn musikalisch ganz anderes geboten wird. Denn wo bei den früheren Interpretationen Verinnerlichtes, Zerbrechliches, manchmal auch Schnippisches geboten wurde, ist nun die Mischung aus Melancholie und Pracht an der Reihe. Die sieben Polonaisen Op.26, Op.40, Op.44, Op.53 und Op.61 gehören zu den rhetorischen Paradestücken, mit denen Frédéric Chopin einst die musikalischen Öffentlichkeit von der Kraft der polnischen Kultur überzeugen wollte und ein Künstler wie Rafał Blechacz ist sich dieser hintergründigen Bedeutung durchaus bewusst. Nur kann er im Unterschied zu manchen früheren großen Interpreten auch davon Abstand nehmen. Denn wer heute Chopin spielt, läuft nicht mehr so leicht Gefahr, ein nationales Heiligtum zu demontieren, weil die Grenzen vereinnahmender Deutung längst gefallen sind. Er kann im Gegenzug sich die Polonaisen auf persönliche Art zu eigen machen und sie als Schnittpunkt individueller Genialitäten gestalten. Und das ergibt ein neues, berauschendes Hörerlebnis dieser Werke, die bei Rafał Blechacz mit einem Mal wieder frisch und wild erscheinen. 

>>> Live zu hören wird Rafal Blechacz am 10.9. in der Bremer Glocke und am 22.09. in der Berliner Philharmonie sein und im Anschluss an die Konzerte sein neues Album signieren!

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