Das Böse hat seinen besonderen Reiz für die Kunst, denn es birgt nicht selten die besonderen Ambivalenz des Kreativen im Zerstörerischen in sich. Ähnlich ist es mit der Macht, die von Verantwortung bis Überschreitung alle vielschichtigen Gefühle des Menschlichen abbilden kann. Wenn René Pape also sich in seinem Album “Gods, Kings & Demons” eben genau jeden vielschichtigen und mehrdeutigen Figuren der Operngeschichte widmet, dann ist abzusehen, dass hier ein großes Album entstanden ist. Und ein würdiger Solo-Einstieg eines der wichtigsten Bässe der Bühnen-Welt bei der Deutschen Grammophon.
Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Programm entwickelte René Pape, nachdem er die Platte eines seiner berühmten Vorgänger, des 1985 verstorbenen amerikanischen Bass-Baritons George London, gehört hatte. “Sie hieß ‘Gods and Demons’ und ich dachte, ich könnte seinem Vorbild folgen und etwa Ähnliches machen, wobei die Portraitgalerie durch ein paar Könige erweitert war”, erinnert er sich an die Anfänge des Projektes. “Gemessen am Standard des 21.jahrhunderts hatte London ein sehr großes Repertoire. Heutzutage neigen Bassisten eher dazu, sich auf einen oder zwei Komponisten zu konzentrieren. Doch wie George London wollte ich eine große Farbpalette in einem breiten Spektrum von Sprachen und Stilen zeigen”. Das wiederum entspricht auch René Papes künstlerischer Ausrichtung überhaupt. Denn während der vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich der 1964 in Dresden geborene Sänger als ungemein flexibler und vielseitiger Künstler auf den internationalen Bühnen empfohlen. Bereits als Kind im berühmten Kreuzchor seiner Heimatstadt ausgebildet, von 1981 dann als Student am Konservatorium, lernte er die Welt der Klassik zunächst im begrenzten künstlerischen Rahmen des sozialistischen Systems kennen, dem er als rebellischer Jugendlicher alles andere als gewogen gegenüber stand. Umso mehr war er fasziniert von der plötzlichen Vielfalt der Angebote, die sich ihm nach seiner Übersiedlung in den Westen boten.
Man wurde schnell auf René Pape aufmerksam. Bereits 1991 sang er den Sarastro in Salzburg, als 26-jähriger der jüngste Bass, den es bei den Festspielen in dieser Rolle bis dato jemals zu hören gegeben hatte. Von 1988 an bereits Ensemble-Mitglied der Berliner Staatsoper Unter den Linden ließ auch der Ruf an die internationalen Podien nicht lange auf sich warten. So gehört Pape seit 1995 unter anderem zum Künstlerstamm der Metropolitan Opera und hat sich nicht nur dort als faszinierender Allrounder von Mozart bis Wagner und Bizet bis Strauss empfohlen. “Gods, Kings & Demons” wirkt daher wie maßgeschneidert auf die stimmlichen und gestalterischen Fähigkeiten seiner künstlerischen Persönlichkeit. Da gibt es seltene Arien wie die des Demon aus Anton Rubinsteins gleichnamiger Oper und Mephistophelisches aus Charles Gounods “Faust”, Hector Berioz' “La Damnation de Faust” und Arrigo Boitos “Mefistofele” zu hören. Pape mimt den grimmigen Wassermann Vodnik aus Antonin Dvoraks “Rusalka” und auch Dapertuttos Arie aus Jacques Offenbachs “Les Contes d’Hoffmann”.
Demgegenüber steht das Pathos der zumeist leidenden Fürsten, Verdis König Philip aus “Don Carlo”, des Boris aus Modest Mussorgskys “Boris Godunov”, vor allem aber auch Richard Wagners Fürsten wie Wotan aus dem “Rheingold” und die für Pape immer wieder herausfordernde Rolle des Königs Marke: “Als ich ihn zum ersten mal sang, war ich so nervös, dass ich nur daran dachte, die richtigen Töne zu treffen. Aber je häufiger man ihn singt, desto freier fühlt man sich, und man kann über die Figur und den Sinn der Rolle nachdenken. Dann geschehen Dinge im eigenen Leben, wie es bei mir der Fall war, und man identifiziert sich plötzlich mit der Figur. Wenn das Leben wieder eine andere Wendung nimmt, ändert sich der Blickwinkel: Man merkt, dass man sich nun auf die Figur konzentriert – einfach darauf, dem Publikum ihre Geschichte zu erzählen, und nicht, wie sie vielleicht das eigenen Leben wieder spiegelt”. Das alles zusammen und noch viel mehr ergibt den Erfahrungsschatz aus dem René Pape inzwischen schöpfen kann. Und das macht dieses Programm, das er im vergangenen Februar gemeinsam mit der Staatskapelle Dresden, dem Spitzenorchester aus seiner Heimatstadt unter der Leitung von Sebastian Weigle aufgenommen hat, zu einem beindruckenden künstlerischen Statement eines der wichtigsten Sänger unserer Tage.
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