Die Nummerierung der Klavierkonzerte Beethovens ist etwas irritierend. Eine frühe Fassung des Klavierkonzerts in C-Dur wird bereits auf 1795 datiert – Beethoven hatte es bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Wien am 29. März 1795 im Rahmen einer “Akademie” gespielt. Nach zahlreichen Bearbeitungen kam es schließlich zur Uraufführung am 2. April 1800 in Wien, bei der Beethoven den Klavierpart wiederum selbst spielte. Und erst gab er es 1801 als Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur op. 15 in Druck, obwohl in der Zwischenzeit längst das Klavierkonzert in B-Dur fertig war, das dann als Nr. 2 bezeichnet wurde. Auch wenn Beethoven selbst es in einem Brief vom 22. April 1801 an Breitkopf & Härtel als “nicht eines seiner besten Werke der Gattung” herunterspielt, weist das C-Dur-Konzert bei aller Nähe zu den klassischen Vorbildern Mozart und Haydn doch schon Beethovens eigenen Gestaltungswillen auf. Allein die Tonartenwechsel und kunstvollen, kaum nachvollziehbaren Modulationen in der Orchesterexposition lassen aufhorchen, bevor, mit schwebender Leichtigkeit, fast im Mozart’schen Duktus das Soloinstrument einsetzt.
Die Popularität Beethovens begründete sich zunächst auf seinen Ruf als außergewöhnlicher Pianist, den er bei zahlreichen Konzerten in den Wiener Salons unter Beweis stellte. Seine Klavierkonzerte, zum eigenen Gebrauch bestimmt, spiegeln denn auch die pianistische Raffinesse wider, mit der Beethoven zu brillieren wusste. Diese nachzuvollziehen, zumal in den von ihm vorgegebenen Tempi, fordert nachfolgende Generationen von Pianisten bis heute aufs Äußerste.
Zeit seines Lebens beschäftigt sich Rudolf Buchbinder mit dem Klavierwerk Beethovens. Bereits mit elf Jahren bewältigte er als damals jüngster Klavierstudent der heutigen Wiener Universität für Musik das C-Dur-Konzert op. 15 im Abstand nur weniger Wochen gleich zweimal hintereinander. Aber so oft er das Werk im Laufe seiner Karriere auch gespielt haben mag – so etwas wie Routine ließ und lässt er dabei nicht zu. Stets aufs Neue studiert er die verschiedenen Partituren und Handschriften seiner umfangreichen Sammlung. Wie sehr Buchbinder dabei ins Detail geht, zeigt beispielsweise die Kadenz am Ende des ersten Satzes. Beethoven, der seine Kadenzen bei den Aufführungen improvisierte, hatte sie erst später aufgeschrieben. Von dieser nun sind drei Fassungen überliefert: eine fragmentarische, die nach 60 Takten abbricht, dann eine kurze und schließlich eine längere, genauer ausgearbeitete, die zumeist in den Konzerten gespielt wird. Auf der Suche nach einer für ihn gültigen Fassung nun entschied sich Rudolf Buchbinder für eine Synthese aus der fragmentarischen und einzelnen Takten der anderen beiden Kadenzen. Auch Fragen der richtigen Tempogestaltung etwa des Mittelsatzes, des Largo, nimmt Rudolf Buchbinder extrem genau, um, ganz im Sinne des Komponisten, zu vermeiden, dass er zu langsam gespielt wird.
Das zweite Album Rudolf Buchbinders seit der Unterzeichnung seines Exklusiv-Vertrages mit der Deutschen Grammophon ist zugleich das erste gemeinsame mit seinem langjährigen Freund, dem Dirigenten Christian Thielemann am Pult der Berliner Philharmoniker.
Ergänzt wird der Livemitschnitt von 2016 durch die “
Sechs Variationen für Klavier für ein eigenes Thema in F-Dur” op. 34, die Rudolf Buchbinder im August 2019 im Zusammenhang mit der Produktion des bereits veröffentlichten und inzwischen sehr erfolgreichen “
Diabelli-Projekts” aufnahm. Es war übrigens der erste der rund 25 Variationszyklen Beethovens, den der Komponist mit einer Opus-Zahl versah.