Was für ein schöner Gedanke – sie sind alle beisammen an diesem Abend: Franz Schubert, Robert Schumann, Ludwig van Beethoven, Frederic Chopin, Franz Liszt und Johann Strauss. Man trifft sich in Wien, zum musikalischen Salon und mitten unter ihnen der Pianist Rudolf Buchbinder, bei einer “Soirée de Vienne”. Es war dieser Gedanke, ein Traum, aus dem die Idee zum neuen gleichnamigen Album des großen Pianisten Buchbinder geboren wurde: “Jeder Mensch hat Träume, die unmöglich sind: Ich würde so gern einmal eine Soirée in Wien besuchen, bei der alle Komponisten dieser Aufnahme anwesend wären.” Das Album ist mehr als eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt Wien, die vor allem im 18. und 19. Jahrhundert Heimstatt und Schauplatz gewaltiger musikalischer Entwicklungen war, die sich sämtlich in den breiten, verschiedenen Epochen umfassenden Oeuvre Rudolf Buchbinders widerspiegeln – von Haydn über Mozart, Schubert bis zu Johann Strauss. Wien war und ist für Rudolf Buchbinder der geografische Mittelpunkt seines musikalischen Schaffens. Mit fünf Jahren der jüngste Schüler an der renommierten Musikakademie ist Buchbinder heute Ehrenmitglied der Wiener Philharmoniker, der Wiener Symphoniker, der Gesellschaft der Musikfreunde und der Wiener Konzerthausgesellschaft.
Beethoven als Teil des ganzen Lebens
Dieses Album nun kommt als Einladung an uns daher, einen Abend in der Tradition der musikalischen Salons, wie sie schon zu Zeiten Mozarts in Wien gepflegt wurde, mitzuerleben. Wir begleiten den Pianisten also zu einem solchen Abend, wie er denkbar wäre, irgendwo in Wien. Und Buchbinder eröffnet ihn mit der Konzertparaphrase des Wiener Pianisten Alfred Grünberg über Walzermotive von Johann Strauss, der Soirée de Vienne, op. 56. Dass besonders dieser Komponist für das Wien des 19. Jahrhunderts steht, zeigen die zahlreichen Arrangements seiner Werke, so auch die des Wiener Pianisten Otto Schulhoff. Aus dessen Drei Bearbeitungen nach Motiven von Johann Strauss op. 9 wählte Buchbinder die Pizzicato-Polka. Das Werk Ludwig van Beethovens ist Teil des ganzen Lebens Rudolf Buchbinders – mit elf Jahren hatte er das Klavierkonzert Nr. 1 in C-Dur Op. 15 zum ersten Mal gespielt. Hier hören wir ihn mit Beethovens “Bagatelle in C-Dur op. 33/5”, die wahrlich nur dem Namen nach einer Bagatelle ist.
Chopin von Kindesbeinen an
Auf gewisse Weise zieht Rudolf Buchbinder mit diesem Album auch eine Bilanz seiner über 60-jährigen erfolgreichen Pianisten-Karriere. Er war gerade mal 9 Jahre alt, als er die “Etüde As-Dur op. 25 Nr. 1” von Frederic Chopin im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins spielte. Buchbinder wählte sie neben einigen Walzern und dem “Nocturne in Es-Dur, op. 9/2” für seine Soirée aus. Franz Schubert hatte seine “4 Impromptus, Op.90, D.899 1827” in Wien komponiert, wo sie am 10. Dezember desselben Jahres vom Verleger Tobias Haslinger herausgegeben wurden. Auch sie stehen auf dem Programm von Buchbinders Soirée ebenso, wie Schuberts “Kupelwieser-Walzer” in einem Arrangement von Richard Strauss und der Marche militaire, bearbeitet durch den polnischen Komponisten Carl Tausig. Welchen großen Stellewert Franz Liszt für sein Schaffen hat, betont Rudolf Buchbinder immer wieder, nicht zuletzt, weil Liszt mit seinen Paraphrasen und seinen Schubert-Liedbearbeitungen viel zu dessen Popularisierung beigetragen hat. Es ist schließlich Liszts “Valse-Caprice in a-Moll, No.6” aus den “Soirées de Vienne S427” von 1853 nach Walzern von Schubert, mit der Rudolf Buchbinder sein Album beschließt. “Große Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass sie natürlich unterhält”, sagt Buchbinder, der sich in dieser Hinsicht durchaus als “Unterhalter” verstanden wissen will. “Ich glaube, dass es gerade in unserer Zeit besonders wichtig ist, die Gesprächskultur der Soirée neu zu beleben.” Mit diesem Album sind wir gewissermaßen mittendrin.