Sir Georg Solti war einer der herausragendsten Dirigenten unseres Jahrhunderts und eine führende Gestalt im Musikleben Europas und der Vereinigten Staaten. Seine erste Einspielung für Decca machte der Maestro 1947, und zwar als Pianist mit Kulenkampff (Violinsonaten von Brahms und Beethoven) und als Dirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich (Beethovens Egmont-Ouvertüre). Mehr als ein halbes Jahrhundert lang blieb Sir Georg Solti Decca durch einen Exklusivvertrag verbunden und hinterließ eine monumentale Diskographie mit über 250 bedeutenden Aufnahmen – darunten 45 vollständige Opern -, vorwiegend mit den Wiener Philharmonikern, dem London Philharmonic und den Symphonieorchestern von Chicago und London. Dafür erhielt er insgesamt 32 Grammy-Auszeichnungen – mehr als jeder andere Musiker, ob im klassischen oder im populären Bereich.
Sir Georg Solti studierte Klavier, Komposition und Dirigieren bei Bartók, Dohnányi, Kodály und Leo Weiner an der Liszt-Akademie in Budapest. Obwohl er bei seinem Konzertdebüt als Pianist auftrat, wurde er von der Budapester Oper wenig später als Dirigent engagiert. 1937 ernannte Toscanini ihn zu seinem Assistenten für die Salzburger Festspiele. Vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flüchtete Sir Georg Solti in die Schweiz, wo er seinen Lebensunterhalt wiederum als Pianist verdiente und 1942 beim Concours International in Genf den ersten Preis gewann.
Im Jahr 1946 wurde Solti von der amerikanischen Militärregierung aufgefordert, in München eine Aufführung von Beethovens Fidelio zu dirigieren. Der große Erfolg dieser Darbietung führte zu seiner Ernennung zum Leiter der Münchner Staatsoper, deren Standard und Ruf er im Verlauf der folgenden sechs Jahre enorm festigte. Während dieser Zeit wurden auch die Salzburger Festspiele wieder ins Leben gerufen, und Sir Georg arbeitete dort ebenso wie in Wien, Berlin, Paris, Rom, Florenz und Buenos Aires.
1952 übernahm Maestro Solti den Posten des Generalmusikdirektors der Oper in Frankfurt am Main, den er neun Jahre lang innehatte. Von 1961 bis 1971 leitete er das Royal Opera House im Londoner Covent Garden und wurde 1992 zum “Music Director Laureate” ernannt. Durch sein Wirken am Royal Covent Garden Opera House erlangte er international Ruhm, insbesondere durch seine Aufführung von Die Frau ohne Schatten, die britische Premiere von Moses und Aron und Wagners Ring. Für Decca spielte Sir Georg Solti mit den Wiener Philharmonikern den gesamten Ring-Zyklus auf Schallplatte ein – eine historische Leistung, die insgesamt sieben Jahre in Anspruch nahm und die erste komplette Studioaufnahme dieses Werkes darstellte.
Sir Georg Soltis bemerkenswerte Partnerschaft mit dem Chicago Symphony begann 1954, als er den Klangkörper erstmalig beim Ravinia Festival leitete. 1956 kehrte er als Gast der Lyric Opera nach Chicago zurück und dirigierte Die Walküre, Salome und La forza del destino. Sein Debüt in der dortigen Orchestra Hall gab er am 9. Dezember 1965, seine ersten Konzerte als Dirigent des Chicago Symphony im September 1969. 22 Jahre lang, von 1969 bis 1991, diente Maestro Solti diesem Orchester als Musikalischer Leiter; das weltweite Ansehen dieses Ensembles wird hauptsächlich seinem Wirken zugeschrieben. Auch die erste Auslandstournee des CSO im Jahre 1971 fand unter der Ägide Sir Georg Soltis statt. In seiner Eigenschaft als “Music Director Laureate” sollte er Anfang Oktober das tausendste Konzert dieses Orchesters leiten. Bis zu seinem Tod 1997 war Sir Georgs Terminkalender gefüllt mit Verpflichtungen, die weit jüngeren Kollegen zur Ehre gereicht hätten; bis ins 21. Jahrhundert hinein hatte er bereits Engagements angenommen.
Für seine herausragenden Verdienste um die Musik wurde Sir Georg Solti 1972 von der britischen Königin Elizabeth II. in den Ritterstand erhoben. Von 1979 bis 1984 hatte er den Posten des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des London Philharmonic Orchestra inne und wurde später zu dessen “Conductor Emeritus” ernannt. Maestro Solti wurden zahlreiche Ehrendoktorwürden der Musik verliehen, etwa von der Oxford University, der University of London und den Universitäten von Durham, Leeds und Surrey; in den Vereinigten Staaten von der Roosevelt University und der DePaul University in Chicago, ferner von Yale und Harvard sowie von der Eastman School of Music. Darüber hinaus wurde ihm ein Ehrendoktortitel im Bereich Geisteswissenschaften von der Furman University in Greenville, South Carolina, und ein ehrenhalber verliehener akademischer Grad “in den Disziplinen Kunst, Musik und Drama” der Universität Bologna überreicht.
Neben seinen zahlreichen Grammys hat Sir Georg Solti auch viele andere bedeutende Auszeichnungen erhalten. 1989 wurde ihm die Goldmedaille der Royal Philharmonic Society verliehen, Großbritanniens höchste musikalische Ehrung, die unter anderem Johannes Brahms, Richard Strauss, Arturo Toscanini und Igor Strawinski zuteil wurde. Ferner war Sir Georg Ehrenmitglied des Royal College of Music in London. Im September 1985 wurde ihm vom Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg der Titel eines Professor Honoris Causa verliehen. Er konnte auch den Verdienstorden pour le mérite für Wissenschaft und Künste der Bundesrepublik Deutschland und 1987 den Loyola-Mellon Humanities Award entgegennehmen. Im selben Jahr wurde Sir Georg Solti anläßlich seines fünfundsiebzigsten Geburtstags die Medal of Merit verliehen, die höchste Auszeichnung der Stadt Chicago, und gleichzeitig wurde im dortigen Lincoln Park eine Bronzebüste des Maestro enthüllt. Ebenfalls 1987 wurde er mit dem Orden des Banners der Republik Ungarn geehrt und von Musical America zum “Musiker des Jahres” gekürt.
1988 nahm Sir Georg Solti von der Union League Civic and Arts Foundation in Chicago den Edward Moss Martin Award entgegen, und 1992 erhielt er den dänischen Leonie Sonning Musikpreis. 1993 überreichte man ihm das Große Verdienstkreuz mit Stern der Republik Ungarn und die höchste deutsche Auszeichnung, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Im selben Jahr ehrten die Wiener Philharmoniker Sir Georg anläßlich seines 80. Geburtstages und der mehr als vierzig Jahre währenden Zusammenarbeit mit der ersten “Hans Richter-Medaille”. Im darauf folgenden Jahr nahm er den Kennedy Center Honour und den belgischen Titel eines “Commandeur de l’Ordre de Leopold” entgegen. 1994 dekorierte ihn der portugiesische Präsident mit dem “Ordem Militar De Santiago De Espada”, der höchsten zivilen Ehrung des Landes (als letzter Musikschaffender war damit im Jahr 1954 Strawinski ausgezeichnet worden). Sir Georg Solti war auch Inhaber des französischen Ordens “Légion d’Honneur”, und 1995 erhielt er die Auszeichnung “Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres”. Im darauffolgenden Jahr wurde er zum “Ritter des Großen Verdienstkreuzes der Republik Italien” ernannt, und die L’Académie du Disque Lyrique in Paris begründete den “Solti-Preis”, der jährlich an einen herausragenden jungen Sänger verliehen werden soll. Als erster wurde der amerikanischen Sopranistin Renée Fleming diese Auszeichnung zuerkannt.
Kürzlich hat Decca zwei klassische Aufnahmen Sir Georgs remastert: 1997 erschien sein legendärer Ring-Zyklus neu, und im Herbst 1998 folgten die Einspielungen der Opern von Strauss.
Im Oktober 1998, wenig mehr als ein Jahr nach seinem Tod, gedachte man Sir Georg Soltis bei einem Sonderkonzert in der Londoner Royal Albert Hall, das für Fernsehen und CD aufgezeichnet wurde. Dabei traten Mstislaw Rostropowitsch, Angela Gheorghiu, Anne Sofie von Otter, Maxim Wengerow und Zubin Mehta mit dem London Philharmonic Orchestra auf; das Geld kam der neu gegründeten Solti Foundation zugute, die Sir Georg kurz vor seinem Tod ins Leben gerufen hatte, um die Musikausbildung zu verbessern und junge Talente weltweit zu fördern.