Nur etwa 30 der 900 Mönche des buddhistischen Gyuto-Klosters konnten nach der Niederschlagung des tibetischen Volksaufstands im Jahr 1959 von Lhasa ins benachbarte Nordindien fliehen. Sie fanden Zuflucht nahe Dharamsala, einem Ort zu Füßen des Himalaya, und bauten ein neues Kloster. Die Zahl der Mönche, die heute hier, unweit der Residenz des Dalai Lama, lebt, ist wieder auf 500 angewachsen. In der Hoffnung auf Rückkehr in die Heimat bewahren sie ihre jahrhundertealten Lehren und tantrischen Rituale. Ein besonderes kulturelles Erbe macht Gyuto unter den einst über 6.000 Klöstern Tibets seit jeher einzigartig: Ein Gyuto-Mönch beherrscht die Kunst, drei Einzeltöne gleichzeitig zu singen.
Nicht von dieser Welt
Der Überlieferung zufolge geht der Obertongesang der Gyuto auf den Hauptschüler des ersten Dalai Lama zurück. Lama Jetzong Sherab Senge soll die Unterweisung in dieser außergewöhnlichen Gesangstechnik in einem nächtlichen Traum von einer weiblichen Gottheit empfangen haben. Sie zeigte ihm einen Klang, der nicht von dieser Welt zu kommen schien. Er bestand aus einer unvorstellbar tiefen Stimme, die an das Röhren eines Yak-Bullen erinnerte, und einer zweiten, die dem Gesang eines Kindes ähnelte. In dem Klang vereinen sich weibliche und männliche Aspekte der göttlichen Energie, glauben die Gyuto-Mönche. Generation für Generation geben sie die geheime Lehre ihres Gesangs seit mehr als 500 Jahren weiter.
Gesang mit heilender Wirkung
Die Gyuto-Mönche nutzen den Obertongesang für ihre täglichen Gebete und schreiben ihm eine tiefe spirituelle Wirkung zu. Der tantrische Buddhismus lehrt, dass es weit mehr Energiesysteme gibt als in der westlichen Schulmedizin bekannt. Nach seinem Verständnis basieren Leiden und Unwohlsein auf Ignoranz, die in Unwissenheit und Unverständnis begründet liegt. Erkrankt ein Mensch, ist die Harmonie der Energieflüsse in seinen Chakren gestört. Der Obertongesang der Gyuto-Mönche soll dabei helfen, Körper und Geist zu entspannen und ein Gefühl der Klarheit zu erzeugen. Dadurch kann der Zustand der Ignoranz beseitigt und der Heilungsprozess in Gang gesetzt werden.
Das neue Album der Gyuto-Mönche Die Gyuto-Mönche erreichen mit ihrer Musik, die für das Streben nach innerer Harmonie und Reinheit steht, weltweit ein Millionenpublikum. Sie gaben ausverkaufte Konzerte in der Carnegie Hall, der Royal Albert Hall und im Sydney Opera House. 1995 gingen sie mit der US-amerikanischen Band Grateful Dead auf Tour. In der Kategorie „Bestes traditionelles Weltmusikalbum“ wurden sie 2011 für den
Grammy nominiert. Nun erscheint ihr neues Album
„Chants: The Spirit of Tibet“. Der Gesang wurde in ihrem Kloster aufgenommen und durch musikalische Gastbeiträge der tibetischen Vokalistin
Soname und des Instrumentalensembles
Thangtong Lhugar ergänzt.
Produzent Youth, bekannt durch seine Arbeiten für U2 und The Verve, hat dem Klang des Albums eine besondere räumliche Tiefe verliehen. Sie vermittelt dem Hörer das Gefühl, inmitten der Mönche zu sitzen und ihrem geheiligten Ritual beizuwohnen.
>> Hier können Sie die Dokumentation zu „Chants: The Spirit of Tibet“ sehen!