Tourneen können anstrengend sein. Manchmal aber bieten sie auch Freiräume, Off-Days und Wartezeiten, in denen Musiker auf ungewöhnliche Ideen kommen. Im Jahr 2007 zum Beispiel sind die Wiener Philharmoniker in Japan unterwegs. An einem der Abende beim Shabu-Shabu-Essen in Fukuoka lassen einige Solisten aus den Reihen des Orchesters ihre Gedanken schweifen, stellen gemeinsame Vorlieben für Klänge jenseits des sinfonischen Repertoires fest und beschließen, ein eigenes Ensemble zu gründen.
Mit drei Musikern mit Wurzeln in der Slowakischen Republik, zwei Österreichern, einem Ungarn und einem Berliner kommen sehr unterschiedliche Einflüsse und Vorlieben zusammen: Musik vom Balkan trifft auf das Erbe der Kaffeehauskultur, Tango und Südamerikanisches kommen hinzu, außerdem ungewöhnliche Adaptionen von klassischen und poppigen Melodien. Die Besetzung mit Streichquartett als Basis, Klarinette, Kontrabass und Klavier als Würze erweist sich als außerordentlich wandlungsfähig. Da alle sieben „Philharmonics“ außerdem nicht nur herausragende Solisten, sondern begeisterte Improvisatoren sind, klingt ihre Musik so frisch und zugleich umwerfend virtuos, dass Presse und Publikum sie sofort ins Herz geschlossen haben.
Gutes altes Europa
Inzwischen haben die Philharmonics bereits zahlreiche Konzerte, ihr preisgekröntes Album-Debüt Fascination Dance und viele musikalische Experimente hinter sich. Oblivion („Vergessen“) kann daher auf ein umfassendes Repertoire zurückgreifen, das die Erfahrungen und Vorlieben der vergangenen Jahre auf einer CD bündelt. Ausgangspunkt ist der gleichnamige Tango von Astor Piazzolla. Das Zentrum bilden Melodien aus der Ära der k.&k.-Monarchie, umrahmt werden sie von Kompositionen aus Rumänien, Frankreich und auch einer Prise Nordamerika. Da finden sich Passagen aus Richard Strauss‘ Rosenkavalier, Verdis La forza del destino, Janáčeks Jenufa und Johann Strauß‘ Ritter Pasman ebenso wieder wie die Rumänische Rhapsodie von Enescu, Schön Rosmarin von Fritz Kreisler oder die eigens für Kreisler komponierte Musette for Fritz.
Und so wie sich schon nach dem ersten Auftritt der Philharmonics 2008 sofort die im Publikum anwesenden Kollegen Riccardo Muti und Elina Garanca zu deren Fans erklärt haben, so haben sich auch bei Oblivion Stars der klassischen Musikwelt als Gäste im Studio eingefunden, die sich von dem Ensemble mitreißen lassen. Die französische Sopranistin Patricia Petibon zum Beispiel stimmt einmal Somewhere aus Bernsteins West Side Story an und singt außerdem eine kammermusikalisch innigliche Version von Bill Withers Soul-Hit Just the two of us. Ihr Tenor-Pendant Piotr Beczala schließlich rundet diese umfassende und faszinierende Mischung mit der Berceuse aus Godards Jocelyn ab. Damit führt Oblivion das Konzept weiter, das die Philharmonics damals in Japan zusammenbrachte, und präsentiert Musik, die keine Grenzen, nur große Gefühle und die Meisterschaft herausragender Interpreten kennt.