Die Bratschistin Kim Kaskhashian, bekannt durch ihre Einspielung von Eleni Karaindrous Filmmusik, hat mit Tigran Mansurian und Robyn Schulkowsky ein Porträt der reichen Musikkultur Armeniens aufgenommen.
Ähnlich wie der georgische Komponist Giya Kancheli, verknüpft Tigran Mansurian die Musikkultur seiner Heimat Armenien mit der Musik des Westens. Dass dabei Brücken über zerstörte Kulturen geschlagen werden müssen, versteht sich fast von selbst.
Armeniens Musikkultur ist reich an mittelalterlichen Kirchen- und Volksgesängen. Mansurian hat die Qualität dieser oft rituellen Musik mit der formalen Strenge westlicher Musik verbunden und daraus eine eigenständige Tonsprache entwickelt, in der zwei Kulturen ihren Niederschlag finden. Die CD “Hayren” entstand in enger Zusammenarbeit zwischen Mansurian und der armenisch-stämmigen Bratschistin Kim Kashkashian, die sich in den letzten Jahren immer wieder für die musikalische Tradition ihrer Heimat eingesetzt hat. Zusammen mit ihr und der Schlagzeugerin Robyn Schulkowsky ist Mansurian hier auch als Pianist und als Sänger zu erleben.
Wer zum Kern armenischer Musik vordringen will, wird sich auf kurz oder lang mit Komitas beschäftigen müssen, dessen Volksliedbearbeitungen (Havik, Darun, Krunk etc.) auf dieser CD von zwei Kompositionen Mansurians für Viola und Schlagzeug umrahmt werden, die übrigens beide Kim Kashkashian und Robyn Schulkowsky gewidmet sind. Der 1935 verstorbene Komitas (1869 als Solomon Solomonian geboren), zählt zu den wichtigsten Musikerpersönlichkeiten Armeniens und ist in seiner Wirkung vielleicht nur noch mit Béla Bartók oder Zoltán Kodály vergleichbar. Ähnlich wie Bartók sammelte und katalogisierte Komitas tausende Volkslieder, Chöre und liturgische Gesänge. Seine Sammlung ist ein wahrer Schatz armenischer Musikkultur. Komitas, der übrigens von 1896 bis 1899 in Berlin Komposition studierte, trat auch als Interpret armenischer Volkslieder in zahlreichen Konzerten auf.
In dieser Tradition versteht sich auch Tigran Mansurian, der auf “Hayren” Volksmusikbearbeitungen armenischer Lieder am Klavier vorträgt. In seinem Spiel spiegelt sich das Erbe der jahrhundertealten Musikkultur Armeniens wider, von Melodien mittelalterlicher Kirchengesänge bis hin zu spezifischen Tonsystemen. Im Duett für Viola und Schlagzeug verdichtet sich die Musik zu einer herberen, der klassischen Moderne nahe stehenden Klangsprache, in der die lyrischen Akzente armenischer Volksmusik nur mit spitzem Ohr wahrgenommen werden können. Musik, die im besten Sinne grenzüberschreitend ist. Sozusagen Musik auf dem westöstlichen Diwan.