Stücke, die schon oft gespielt wurden, sind tückisch. Denn zum einen bringen sie nicht nur den Notentext mit sich, der nach Maßstäben der Gegenwart beleuchtet werden will. Darüber hinaus muss man als Künstler davon ausgehen, dass das Publikum das Werk sehr genau kennt und noch dazu die neuen Interpretationen an den Monumenten der Vergangenheit misst. Für
Till Fellner war es daher eine besondere Aufgabe, sich den beiden späten
Klavierkonzerten von
Ludwig van Beethoven zu widmen. Er wollte anknüpfen an bereits vorhandene Standards, sie aber nach seinen eigenen Vorstellungen behutsam modifiziert hinter sich lassen. Das ist ihm gelungen.
Was für eine Anschlagkultur! Welch überlegenes Zeitgefühl! Man möchte jubilieren, wenn man Till Fellner hört, wie er sich Ludwig van Beethovens späten Klavierkonzerten zuwendet und aus den tausendmal gespielten Klassikern Nuancen destilliert, die sich bislang im Notentext verborgen hielten. Dieses Feingefühl hat der geborene Wiener und spätestens seit dem Sieg beim Concours Clara Haskil im schweizerischen Vevey 1993 international anerkannte Pianist von Lehrern wie Alfred Brendel mit auf den Weg bekommen, als Ausgangspunkt, Inspiration, nicht Norm der Darstellung. Das ist wichtig für das Verständnis von Ludwig van Beethovens Konzerten, die hinter den Interpretationen Fellners stehen. Denn musikhistorisch sind die Werke Meisterstücke des Übergangs. Nur wenige Jahre zuvor hatte Mozart das Genre neu definiert und vor allem mit den späten Konzerten dem Instrument gegenüber dem Orchester eine eigene Stimme gegeben, die eine kommunikative Grundstruktur der Kompositionen ermöglichte. Bald nach Beethovens Arbeiten sollten die Romantiker mit großer Geste den Virtuosen vollends in den Mittelpunkt stellen und so abermals die Kräfteverhältnisse verändern.
Beethoven nun war damit an einer Schwelle zwischen den Ansprüchen und er schuf mit seinen Konzerten Musterstücke der Balance der künstlerischen Ausdrucksmittel. Waren die frühen Konzerte eins bis drei noch klar an Mozart orientiert, entwickelte er mit den Nummern vier und fünf seine persönliche Haltung zu dem Genre, die er im Anschluss an das Konzert in Es-Dur auch nicht mehr weiter ausführte. Till Fellner knüpft daran an und versteht die beiden Werke als Konzentrate des Beethoven’schen Klanggenies, die er entsprechend fein differenziert einer individuellen Deutung unterzieht. „Ich suche meinen eigenen Weg zu den Stücken“, meint Fellner und er hat das Glück in
Kent Nagano einen komplementären Partner zu finden, der dem
Orchestre Symphonique de Montréal zu den passenden Farben und dynamischen Schattierungen verhilft, die die Visionen des Pianisten unterstreichen. Ein Traumpaar, das
Beethovens Klavierkonzerte Nr.4 und Nr.5 nicht neu erfindet, dafür aber sowohl mit der individuellen Umsetzung wie auch dem transparenten und subtil differenzierten Klangbild den aktuellen Maßstab der Interpretation setzt. Die Aufnahme erscheint am
5. März 2010 auf
ECM New Series.
Besuchen Sie für weitere Informationen auch die Webseiten von
ECM und
Till Fellner.