Der Name
Trevor Pinnock wird nicht nur als der eines Pioniers der historisch informierten Aufführungspraxis verehrt. Pinnock, inzwischen 75 Jahre alt, ist weltweit als Dirigent, Cembalo-Virtuose und Orchesterleiter bekannt. 1972 hatte er The English Concert gegründet – einen Klangkörper, mit dem er über 30 Jahre lang seine Ideale für die Aufführung der Alten Musik auf historischen Instrumenten mit Leben erfüllte. Für
Deutsche Grammophon/Archiv Produktion entstanden in diesen Jahren viele hochgelobte Aufnahmen, wie etwa
Händels “Messias”,
Bachs “Brandenburgische Konzerte” sowie die Orchestersuiten und
Vivaldis “Vier Jahreszeiten”.
Trevor Pinnocks Einspielung des ersten Buches ist bereits Schallplattengeschichte
Vor zwei Jahren hatte Deutsche Grammophon “Das Wohltemperierte Clavier, Teil I” von Johann Sebastian Bach mit Trevor Pinnock veröffentlicht – für den detailversessenen und mit den Partituren bestens vertrauten Pinnock ein besonderes musikalisches Abenteuer. Und das, obwohl ihn gerade dieses Werk Johann Sebastian Bachs sein Leben lang begleitet. Zum ersten Mal hat er es mit etwa 12 Jahren kennengelernt. Ein paar Jahre später hörte er alle Präludien und Fugen im Radio. Von da an sei er süchtig gewesen und wusste, dass er sie eines Tages alle spielen würde. “Der Berg schien jedoch unüberwindbar”, erinnert er sich. “Wie könnte ich mich in die Dichte einiger dieser Fugen vertiefen, geschweige denn, sie verstehen?”
Trevor Pinnock fing dennoch an, den Berg zu besteigen – inzwischen ist die Einspielung des ersten Buches dieses komplexen Meisterwerks für ihn schon Schallplattengeschichte. Und weil, wie er sagt, jene 24 Präludien und Fugen “… ein zentraler Teil von mir für den Rest meines Lebens” seien, nimmt Trevor Pinnock sich nun auch das zweite Buch des “Wohltemperierten Claviers” vor.
Ursprüngliches Unterrichtsmaterial
Warum Bach sich 20 Jahre nach dem Erscheinen seines ersten Buches des “Wohltemperierten Claviers” noch einmal aufmachte, einen zweiten Teil zu komponieren, darüber ist die Musikwissenschaft sich nicht im Klaren. Gleichwohl folgt auch das “Buch II” von der Struktur und dem Aufbau her genau dem ersten Teil: 24 Präludien und Fugen über sämtliche Tonarten. Um 1742 schloss Bach die Arbeit daran ab. Wie die überlieferten handschriftlichen Kopien vermuten lassen, setzt sich das Werk im Wesentlichen aus ursprünglichem Unterrichtsmaterial Bachs für seine Schüler zusammen. Zu ihnen gehörten etwa Johann Friedrich Agricola, Gottfried August Homilius sowie Bachs späterer Schwiegersohn Johann Christoph Altnickol. Dieser fertigte schließlich eine komplette Abschrift des zweiten Teils an – unter den Augen des Meisters, der ihm nachträglich noch Hinweise zu Änderungen im Notentext gab.
Wie schon beim ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers nutzte Trevor Pinnock auch für die Aufnahme des zweiten Teils ein Cembalo von David Way nach einem Original von Henri Hemsch, das auf die vorherrschende niedrige Tonhöhe während Bachs Zeit eingestimmt wurde. "Der Reiz des Cembalos ist, dass man diesem sehr einfachen Instrument eine Musik mit Sprache, eine Musik mit Seele entlocken muss”. Es ist genau diese Fähigkeit Trevor Pinnocks, die der Aufnahme seinen stillen Ganz verleiht.