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Europa um 3 nach 9

Ulrich Tukur © by Katharina John
© by Katharina John
31.08.2010
Schauspielerei hat mich nie interessiert“, sagt Ulrich Tukur. „Ich war ja früher nie im Theater.“ Das könnte kokett wirken, bedenkt man die Bühnen-, Film- und Fernseh-Erfolge des Charakterschauspielers. Dabei meint er es ganz ernst: Musik war sein Element, lange bevor die Karriere kam. Spätestens als der Knabe Ulrich die „Mondnacht auf Kuba“ auf einer alten Schellack-Platte seiner Tante hörte, war es um ihn geschehen. Er nahm Klavierunterricht, hörte wie besessen alte Schlager und versetzte sich auch sonst gerne in die guten, alten Zeiten – stilecht mit antiken Anzügen, pomadisiertem Haar und rollendem R. Jetzt, ein knappes halbes Jahrhundert nach seiner Erleuchtung aus dem Grammophon, hat Ulrich Tukur einige seiner liebsten Lieder zur Nacht für das Album „Mezzanotte“ eingesungen. „Es gab eigentlich nur zwei Kriterien für das Repertoire, erzählt er. „Es sollten Lieder sein, deren Melodie mir gefiel, und die auf poetische und schöne Art und Weise mit der Nacht zu tun haben.
Daheim in Venedig und Monticiano suchte und fand er das geeignete Material – zwischen den zweitausend Schellackplatten seiner Sammlung. Dann kam die Kür: Die verschiedenen Nachtlieder aus Italien oder Frankreich, dem New York der Swing-Ära oder dem Berlin der wilden Zwanziger, sollten dramatisch verknüpft und natürlich neu arrangiert werden. Für die musikalische Umsetzung sorgte Lutz Krajenski, bestens bekannt als Organist für die amerikanische Soulsängerin Randy Crawford oder als Big-Band-Leiter für Roger Cicero. So einfühlsam wie gekonnt hüllte „Herr Lutz, der Orchesterchef“, wie ihn Ulrich Tukur nennt, die alten Lieder in neue Klanggewänder, bevorzugt mit düsteren Zwischentönen und nahezu mysteriösen Nebenthemen. Obendrein schrieb er „Die Großstadt träumt“ zu einem Tukur-Text und begleitete den Sänger auf dessen eigener und erstaunlich mörderischer Moritat von „Willy Williams“. „Die neuen Lieder habe ich mir alle beibringen müssen“, sagt Tukur, und unterstreicht damit seinen Wunsch, neben Hoagy Carmichaels Erfolgslied „Stardust“ vor allem weniger bekannte Stücke zu präsentieren – etwa das französische Kokain-Tribut „La Coco“, „Vecchio Frack“, einst ein großer Erfolg für den „Volare“-Star Domenico Modugno oder den Coco-Schumann-Hit „Ausgerechnet Heut‘ Abend“. „Ich hab eine Stimme, die trägt sehr gut“, sagt er. „Das muss dir zur Natur werden, dass du auf der Bühne immer ein bisschen mehr Druck gibst. Vor der Kamera muss man dann alles wieder zurücknehmen. Und beim Gesang im Aufnahmestudio? Meine Stimme ist  sicher nicht unbegrenzt. Ich kann zum Beispiel nicht mit einer Bigband singen. Leider nicht. Aber diese frechen, vielschichtigen und geschichtenerzählenden Chansons und Kabinettstückchen aus der Zeit vor und in der Weimarer Republik, die stehen ihr ganz gut.
Dass er nicht nur die Lieder selbst hervorragend vorträgt, sondern auch bestens über sie reden kann, zeigt Ulrich Tukur am Freitag, den 3.9., bei „3 nach 9“ – als Gast, neben Kollegen wie Julia Fischer und Tom Jones.

Tipp der Redaktion:
Mezzanotte gibt es jetzt auch bei iTunes mit dem Bonustrack “Unter der Laterne” + Booklet.