Die neun Sinfonien von Ludwig van Beethoven sind Meilensteine der Musikgeschichte und spiegeln die musikalische wie persönliche Entwicklung des Meisters eindringlich wider. Unzählige Male wurden diese Großwerke bereits eingespielt und doch gibt es immer noch Neues in ihnen zu entdecken. Dies gelingt insbesondere dann, wenn sich herausragende Beethoven-Kenner wie Gábor Takács-Nagy und das Verbier Festival Chamber Orchestra den Schlüsselstücken widmen. Bei Deutsche Grammophon erscheint am 23. Juni nun eine Gesamtaufnahme der Sinfonien, die mit ihrer unmittelbaren und menschlichen Deutung der Stücke überzeugt.
Die Beethoven-Sinfonien – ein Kosmos für sich
Geht es um Beethovens neun Sinfonien, ist kaum ein Superlativ zu klein. So zählen sie nicht nur zu den wohl meistgespielten Stücken der Welt, sondern revolutionierten bereits zu ihrer Entstehungszeit die Welt der klassischen Musik. Dabei trugen die Werke maßgeblich zur Veränderung von Form, Struktur, Harmonie, Orchestrierung und melodischen Entwicklung der Kompositionsstandards bei und prägten mit ihren innovativen Ansätzen die nachfolgenden Generationen. Ob es sich um die heroische Sinfonie Nr. 3 handelt, die – Napoleon Bonaparte gewidmet – den Beginn einer neuen Schaffensperiode Beethovens markiert, um die Sinfonie Nr. 5 mit ihrer berühmten Eröffnung, die Sinfonie Nr. 6, auch bekannt als “Pastorale”, oder um die 9. Sinfonie mit ihrer “Ode an die Freude”: Jede einzelne der Sinfonien ist von ganz eigenem Charakter und zeigt Beethoven als Meister der Motiventwicklung und musikalischen Dramaturgie.
Gábor Takács-Nagy und das Verbier Festival Chamber Orchestra ergründen Beethovens Meisterwerke
Gábor Takács-Nagy und das Verbier Festival Chamber Orchestra haben sich über einen Zeitraum von 13 Jahren (von 2009 bis 2022) mit Beethovens Sinfonien auseinandergesetzt und einen ganz neuen und freien Zugang zu den vermeintlich allzu bekannten Werken gefunden. Dabei wurden die Musiker geleitet von Neugierde, Entdeckergeist und Spielfreude, und näherten sich jedem Werk mit offener und unvoreingenommener Haltung. Gleich einem intimen Gespräch zwischen Orchester und Dirigent erklingen die Sinfonien nun als Werke großer Menschlichkeit, in denen sich die verschiedensten Gefühlsparameter widerspiegeln. Dies gelingt besonders beeindruckend durch den kammermusikalischen Ansatz des Dirigenten, der selbst über 17 Jahre lang als Primarius des berühmten Takács-Quartetts regelmäßig sämtliche Streichquartette Beethovens auf die Bühne brachte, bevor er sich als Dirigent den Sinfonien zuwandte. Dazu sagt Takács-Nagy: “Die Qualität des Klangs muss immer höher bleiben als die Dezibel. Ja, Beethoven schreibt Fortissimo. Aber unser Ansatz muss warm und menschlich sein, hinter und jenseits der Extreme und der rohen Energie.”
Unkonventionell, mutig und zutiefst menschlich
“Wir lassen uns immer wieder kollektiv von einem der berühmtesten Zitate Beethovens inspirieren: ‘Falsche Noten zu spielen ist unbedeutend. Ohne Leidenschaft zu spielen, ist unentschuldbar’”, hat Takács-Nagy den Interpretationsansatz beschrieben. Und tatsächlich sind es die vollkommene Hingabe der Musiker an ihr Spiel und das hochsensible und emotionsreiche Ausdeuten der verschiedenen musikalischen Erzählungen, die bei der Großschau der Beethoven-Sinfonien in den Bann ziehen.
Ausgesprochen transparent und agil im Gesamtklang und von kammermusikalischer Raffinesse durchdrungen, werden die Sinfonien von Beethoven so mit ganz neuen Nuancen und Farbtönen erlebbar. So zeigt sich die Relevanz dieser Stücke bis zum heutigen Tag. “Jede Note muss in die Zukunft gerichtet sein”, ist der Dirigent überzeugt. Mit den Einspielungen wird er diesem Anspruch eindrucksvoll gerecht.
Ergänzt wird die Gesamtaufnahme durch ein umfangreiches Booklet, das zu jeder der Sinfonien eine detaillierte Einführung durch den berühmten amerikanischen Beethoven-Biografen Jan Swafford enthält. Besonders reizvoll ist darüber hinaus das Gespräch zwischen Swafford und Gábor Takács-Nagy.