Vor dreißig Jahren, am 5. November 1989, verstarb im Alter von 86 Jahren der große Klaviervirtuose Vladimir Horowitz. Der US-amerikanische Pianist ukrainischer Herkunft war eine der prägendsten Künstlergestalten des 20. Jahrhunderts. Als Person besaß er viel Charme und pflegte den ironischen Humor. So bemerkte er im hohen Alter einmal gegenüber dem Fotografen Christian Steiner: “Habe ich mich nicht gut gehalten? Kommen Sie. Fühlen Sie meine Muskeln.”
Charakteristisch für sein Spiel war der wuchtige Anschlag und die hohe Virtuosität, die ihn für technisch anspruchsvolle Werke der Romantik und Spätromantik prädestinierten und zu einem der größten Interpreten Frédéric Chopins, Franz Liszts, Alexander Skrjabins und Sergei Rachmaninoffs und machten.
Im Alter verfeinerte der melancholische Divo, der von seinem Publikum abgöttisch verehrt wurde, seine lyrische Anlagen, ohne dabei seinen dämonischen Furor am Flügel einzudämmen. 82-jährig schloss der hochverletzliche Künstler, der phasenweise unter Depressionen litt und mehrjährige Bühnenpausen einlegen musste, noch einen Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon. Es entstanden kostbare Alben, deren Hauptkennzeichen die enorme Spannbreite zwischen zartem poetischem Spiel und leidenschaftlichen Ekstasen ist.
Leidenschaftlicher Ausdruck
Anlässlich des 30. Todestags von Vladimir Horowitz am 5. November 2019 legt das Gelblabel jetzt vier Vinyl-Klassiker des großen Pianisten neu auf und veröffentlicht erstmals auf Vinyl sein berühmtes Konzert in Hamburg. “Horowitz in Hamburg: The Last Concert” ist ein NDR-Mitschnitt des letzten Recitals von Vladimir Horowitz. Es fand am 21. Juni 1987 in der Hamburger Laeiszhalle statt. Fans zahlten damals bis zu 1000,00 DM für eine Eintrittskarte. Das Live-Album genießt bei Klavierliebhabern Kultstatus. Man hört Horowitz in hauchzarter Manier Mozart, Schumann und Schubert spielen. Bei Chopin und Liszt greift er dann kräftig in die Tasten. Der 83-Jährige hatte auch im hohen Alter nichts von der leidenschaftlichen Wucht seiner jungen Jahre eingebüßt.
Zeitlose Aufnahmen
Neben dieser Vinyl-Ersterscheinung erfahren vier Vinyl-Klassiker des genialen Pianisten eine Neuauflage. Als programmatisch für den späten, lyrisch orientierten Horowitz kann das Album “Horowitz The Poet” gelten, auf dem sich der Pianist kongenial in träumerische Stimmungen von Franz Schubert einfühlt. Nicht minder poetisch nimmt sich ein legendäres Album von 1985 aus, das alle Stücke versammelt, die der damalige Grandseigneur der Klavierkunst in dem Dokumentarfilm “Vladimir Horowitz – The Last Romantic”vortrug. Eine besondere Perle dieses Albums: Bachs verzückt dargebotene Choralfantasie “Nun komm, der Heiden Heiland” in dem Klavierarrangement von Ferruccio Busoni.
Den leidenschaftlich deklamierenden Horowitz ruft das mit drei Grammys gekrönte Meisteralbum “The Studio Recordings – New York 1985” in Erinnerung. Hier lässt der Pianist Schumanns "Kreisleriana" in schillernder Modernität erstrahlen, dringt sanft in Sonaten von Scarlatti ein und überwältigt den Hörer mit Skrjabins ekstatischer Etude in dis-Moll. Intimer nimmt sich dagegen, wie der Titel schon sagt, “Horowitz At Home” aus, wo man den Jahrhundertpianisten in erhabener Schlichtheit Mozart und Schubert spielen hört, bevor er sich in die labyrinthische Klavierpoesie von Franz Liszt hineinbegibt.
Alle fünf LPs, die Deutsche Grammophon aus Anlass des 30. Todestags von Vladimir Horowitz veröffentlicht, wurden bei OPTIMAL auf 180g Vinyl gepresst und von den Originalquellen der Bänder ausgehend gemastert. Die Hüllen der Platten lehnen sich an das Design der jeweiligen Ersterscheinung an.
Somit sind sämtlich Aufnahmen von Horowitz, die er für die Deutsche Grammophon getätigt hat, auf Vinyl erhältlich.
Am 13. Oktober wird das legendäre Moskau-Konzert, das Horowitz 1986 nach gut 60 Jahren im Exil in Moskau gab, von Arte um 17:40 Uhr übertragen.