“Pflichterfüllung eines Dirigenten”
Er war ein stiller Dirigent, der jede Form der Selbstinszenierung vermied und der zugleich mit wenig Aufwand erreichte, worauf es ihm ankam: das Wesentliche all der Werke, die er dirigierte, hörbar zu machen. Mit feinem Gespür und zugleich starkem Gestaltungswillen und präziser Schlagtechnik, die ihresgleichen suchte, führte Williams Steinberg die Musiker seiner Orchester durch den Kanon der klassischen Musik. Dabei war ihm, wie ein Musikkritiker des Boston Globe treffend beschrieb, “…die Redlichkeit und Selbstlosigkeit eines Toscanini und eines Klemperer zu eigen, jener beiden Dirigenten, die ihn im Laufe seiner Karriere stark beeinflussten.”
Der Förderer Arturo Toscanini
Der Weg William Steinbergs, als Hans Wilhelm 1899 in Köln geboren, war von Beginn an als der eines Dirigenten vorgezeichnet. Die Mutter war seine erste Musiklehrerin – im Alter von zehn Jahren spielte er bereits Violine und mit fünfzehn Jahren Klavier. Im Alter von dreizehn Jahren dirigierte er bereits eine eigene Komposition. Schließlich studierte er am Kölner Konservatorium Dirigieren, Klavier und Musiktheorie.
Arturo Toscanini förderte seine Karriere, nachdem Steinberg 1938 als Jude aus Nazi-Deutschland in die Vereinigten Staaten fliehen musste. 1952 übernahm er das Pittsburgh Symphony Orchestra, das sich unter seiner Leitung zu einem der ersten US-amerikanischen Orchester entwickelte und ihm in Anerkennung seiner Leistungen 1968 einen unbegrenzten Vertrag als Musikdirektor in Pittsburgh gab. 1976 zog sich Steinberg zurück und starb schließlich 1978.
Zum ersten Mal werden jetzt William Steinbergs vollständige Aufnahmen mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra für das Label Command Classics veröffentlicht, wobei 11 der 17 Alben neu auf CD erscheinen. Sämtliche Aufnahmen entstanden in einem Zeitraum von acht Jahren, zwischen 1961 und 1968.
Die besten Brahms-Aufnahmen
Die erste Produktion Steinbergs für Command Classics war Sergei Rachmaninows Sinfonie Nr. 2, im Mai 1961. Ihr folgten noch im selben Jahr Ausschnitte aus Richard Wagners “Rheingold”, der “Walküre” und der “Götterdämmerung”.
Einen Schwerpunkt der Box bildet der komplette Beethoven-Sinfonien-Zyklus. Willam Steinberg galt bereits als einer der weltweit größten Brahms-Interpreten, als er die vier Sinfonien von Johannes Brahms für Command Classics aufnahm – sie gelten seither als eine der besten aufgenommenen Interpretationen dieser Werke. Steinberg wandte sich auch dem Repertoire des 20. Jahrhunderts von Komponisten wie Ravel, Elgar, Vaughan Williams, Hindemith, Bartók, Strawinsky, Schostakowitsch, Britten, Gershwin, Roy Harris und William Schuman. 1940 hatte er die Uraufführung von Aaron Coplands Suite “Billy The Kid” besorgt, die ebenfalls in der Box enthalten ist.
Eine besonders interessante Zusammenstellung enthält die CD 16. Neben Hector Berlioz‘ “Rákóczy-Marsch” aus “La Damnation de Faust” und dem “Scherzo capriccioso” op. 66 Antonín Dvořáks, findet sich darauf auch Giuseppe Verdis Streichquartett e-Moll in der Transkription für Streichorchester von William Steinberg. Es war Steinberg gelungen, Command Records, ein Label, das an Repertoire-Experimenten nicht sonderlich interessiert war, davon zu überzeugen, ihm diese Aufnahme zu gestatten. Sie erschien 1964 zusammen mit der Nußknacker-Suite Peter Tschaikowskis.
Die Box macht in ihrer künstlerischen und technischen Qualität William Steinbergs, wie er es selbst nannte “Pflichterfüllung eines Dirigenten” erlebbar, das Werk notentextgetreu aufzuführen und dabei immer auf der Suche nach der musikalischen Wahrheit zu bleiben. “Wer von uns heute besitzt die notwendige Wahrnehmungsgabe oder die Deutungsautorität? Das kann nur jemand, der ein Werk ganz für sich sprechen lässt und genug Bescheidenheit aufbringt, sich vor der nach Unterhaltung und Provokation lechzenden großen Masse zu verbergen.”