Regenschauer, eine graue Wolkendecke und tiefe Pfützen beherrschen den Abend des 12. März in Berlin. Der Frühling lässt noch auf sich warten… Da kommt die aufheiternde Performance Katja Riemanns mit den Jussen-Brüdern und ihrer Version des Karnevals der Tiere zu Texten von Roger Willemsen gerade recht, um vermeintlicher Schlechtwetter-Stimmung den Garaus zu machen.
“Der Karneval gehört den Tieren”
Stattgefunden hat diese
Yellow Lounge in der Musikbrauerei – ehemals Schneiderbrauerei, nun vielseitiger Veranstaltungsort. Kaum betritt man das Gebäude weht einem auch schon der leichte Duft von Räucherstäbchen entgegen, über eine enge Wendeltreppe geht es in die Tiefe bis man durch eine Tür im Herzen des Gebäudes landet. VJ
Philipp Geist und die DJs
Clé und
Eva Be beschwören eine Atmosphäre wie von einer anderen Welt – entspannte Neo-Klassik-Klänge und schwebende Tiere an den Wänden stimmen das Publikum auf das Bevorstehende an. Um 22.00 ist es soweit:
Katja Riemann eröffnet den Karneval der Tiere mit den Worten “Hochverehrtes Publikum! Damen, Herren, ungelogen, schön habt ihr euch angezogen”
Das Publikum schmunzelt und lässt sich gerne an die Hand nehmen. Die Schauspielerin, an dem Abend Erzählerin, trägt die Texte Roger Willemsens zu Saint-Saens “Karneval der Tiere” vor. Die Brüder
Lucas & Arthur Jussen aus den Niederlanden begleiten Katja Riemanns humorvollen, ironischen und charmanten Vortrag mit leichtfüßigem Spiel, das stets von einem Augenzwinkern und schelmischen Lächeln untermalt wird.
Von Elefanten, Fischen und dem Schwan
Während Riemann und die Jussens das Publikum in ein Unterwasser-Reich entführen, entsteht Tiefseestille – das Publikum lässt sich von den Fischen verzaubern. Die Begeisterung ist groß, der Applaus lässt nicht auf sich warten und mit Bravo-Rufen werden die drei Künstler auf der Bühne bejubelt. Das “tierisch festliche” Spiel ist so schnell vorbei, wie es begann – derart in den Bann gezogen, erwacht man wie aus einem Traum.
Keck, humorvoll und politisch
Den zweiten Teil des Abends bestritten die Jussen-Brüder mit einem sehr persönlichen Programm. Jedes gespielte Stück moderierten die niederländischen Jungs mit Geschichten aus dem Nähkästchen an und ließen so das Publikum an ihren persönlichen Erinnerungen teilhaben. Ein kurzer prüfender Blick und schon konnte das Spiel beginnen mit Bachs Kantate “Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit”
Die beiden Sympathieträger bewiesen meisterlich, dass ihnen das virtuose Zusammenspiel in die Wiege gelegt worden ist. Dieses stellten sie mit Igor Romas “Sinfonia 40”, eine Variation über Mozarts 40. Sinfonie unter Beweis: synchroner Anschlag, Klavierspiel Überkreuz, flinke Finger und emotionaler Ausdruck mit viel Bewegung, ohne sich dabei ins Gehege zu kommen. Emotional beziehungsweise impressionistisch und atmosphärisch führten die Brüder das Publikum in die Welt Ravels mit “Le jardin fréérique” und zeigten damit eine sanfte, gar sinnliche Seite. Synchrones Kopfwippen und aufeinander abgestimmte Artikulation.
Dass die beiden Niederländer in allen Disziplinen der Musik versiert sind und ihr Publikum geschickt betören können, hat der musikalische Abend bereits mehr als deutlich gemacht. Das letzte von ihnen gewählte Stück fügte noch eine politische Dimension hinzu. Fazil Says “Night” darf aufgrund des politischen Engagements und der regimekritischen Äußerungen des Komponisten in der Türkei eigentlich nicht aufgeführt werden. Nichtsdestotrotz spielten die Brüder das Stück auf zwei Konzerten in Istanbul und Ankara und ernteten tosenden Beifall. So auch für die Darbietung eben dieses Stückes bei der Yellow Lounge in Berlin. Ein wahrer Gänsehautmoment…
Eine Zugabe ließen sich die charmanten Brüder nicht nehmen und hinterließen ein beglücktes Publikum, das der regnerischen Frühjahrstristesse entkommen konnte.