„Sie kennt keine Grenzen. Für mich ist die Gitarre ein kleines Orchester und nahezu perfekt“, erklärte der bedeutende Gitarrenkomponist Leo Brouwer. So verwundert es nicht, dass die ungarische Gitarristin Zsófia Boros den kubanischen Musiker als wichtige Inspirationsquelle nennt. Denn die 33-jährige Künstlerin veröffentlicht mit “En otra parte” ihr Debütalbum für ECM New Series und mit ihm ein flammendes Plädoyer für den von Brouwer gepriesenen Facettenreichtum ihres Instruments: „Eine Gitarre verfügt über alle Farben.“ Zsófia Boros lässt diese Erkenntnis in ihre Kunst einfließen und versteht es, die von ihr ausgewählten Stücke in ein neues Licht zu tauchen. Ihr Album schaut nach Nord- und Lateinamerika und kostet den stilistischen Reichtum beider Kontinente aus.
Tango, Jazz, Folklore und eine Spur Pop
Zsófia Boros “En otra parte” kennt keine Genre-Grenzen, sondern nur einen einzigen Klangkörper, dessen Saiten auf immer neue Weise zum Klingen gebracht werden. Melancholisch, feierlich, fröhlich, schmerzhaft – die Musikauswahl des Albums zeigt eindringlich, dass sich die Gitarristin in den unterschiedlichsten musikalischen Bereichen bewegt ohne dabei künstlerische Authentizität einzubüßen. Das Repertoire erstreckt sich mit Vicente Amigos “Callejón de la luna” und Ralph Towners “Green and Golden” von Tango bis Jazz und taucht mit Quique Sinesis “Cielo Abierto” und seinen Candombe- und Milonga-Rhythmen tief in die lateinamerikanische Folklore ein. Darüber hinaus gibt Boros auch Stücke von Leo Brouwer wie “Un Dia De Noviembre” und “An Idea” zum Besten und streift mit Dominic Millers “Eclipse” auch das Reich der (gehobenen) Popmusik. „Ich denke oft, die Auswahl der Musik für meine Projekte läge ganz in meinen Händen, nur um mich später zu fragen, ob sich die Musik nicht umgekehrt eher mich als Medium gewählt hat. Mein Ansatz ist immer sehr intuitiv: Wenn ein Stück mich fesselt oder berührt, möchte ich es reflektieren – gleichsam ein Spiegel dafür werden,” kommentiert Boros die Zusammenstellung dieses Albums.
Feinsinniges und fantasievolles Gitarrenspiel
Mit ihrem feinsinnigen Gitarrenspiel, bei dem sie ihr Können jedoch nie über die Musik stellt, hat sich Zsófia Boros längst einen Namen als herausragende Konzertgitarristin gemacht. Und obwohl die in Wien lebende Ungarin bereits zahlreiche Preise auf internationalen Wettbewerben u.a. in Italien, Portugal und der Slowakei gewann, definiert sie ihr künstlerisches Profil bewusst nicht über solche Leistungen. „Weltoffenheit, Neugier und Fantasie“ benennt sie als innere Antriebskräfte und Lehrmeister. Tatsächlich ist es Boros mit diesem Leitfaden gelungen, traditionelle und moderne Gitarrenmusik miteinander in Einklang zu bringen und somit Leo Brouwer zu bestätigen, wenn er sagt: „Die Vielstimmigkeit, welche es der Gitarre erlaubt modern zu klingen, gepaart mit ihrer Geschichte von der Renaissance bis heute machen dieses Instrument so einzigartig!“