2020 wird als außergewöhnliches und herausforderndes Jahr in die Geschichte eingehen – auch für die Klassikwelt. Schließlich wurde der normale Kulturbetrieb durch den Ausbruch der Corona-Pandemie jäh unterbrochen und stand das Konzertleben in den vergangenen Monaten auf vielen Bühnen still. Musik wurde dennoch gespielt und so entstanden spannende neue Projekte. Eines der Aufsehens erregendsten darunter wird nun als umfassende Edition bei Deutsche Grammophon veröffentlicht und beinhaltet die kompletten Beethoven-Klaviersonaten sowie die Diabelli-Variationen op.120, eingespielt während des Lockdowns von Meisterpianist Daniel Barenboim. Die Alben erscheinen am 30. Oktober und sind einer der Höhepunkte des Klassikjahres 2020.
Die 32 Klaviersonaten und die Diabelli-Variationen op. 120 – Pianistische Schlüsselwerke Beethovens
Die 32 Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven zählen zu den bedeutendsten Stücken der Klavierliteratur und stellen im Schaffen des Komponisten eine kanonische Werkgruppe dar, die in ihrer Vielseitigkeit und musikalischen Dichte von zeitloser Größe ist. Dabei sind die Sonaten die einzige Gattung im Gesamtwerk Beethovens, die tatsächlich alle Schaffensphasen des Komponisten von den Anfängen bis hin zum Spätstil abdeckt und die persönliche wie stilistische Entwicklung des Tonschöpfers entsprechend eindrucksvoll nachempfinden lässt.
Die Diabelli-Variationen op. 120 wiederum waren Beethovens letztes großes Klavierwerk und einer der umfang- und facettenreichsten Variationszyklen für Klavier. So findet sich in den “33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli” eine ungemeine Fülle an Stimmungen und raffinierten musikalischen Wendungen wieder und beweist Beethoven hier in jeder einzelnen Miniatur sein kompositorisches Genie.
Daniel Barenboim und Ludwig van Beethoven – Eine Lebensbeziehung
Für Daniel Barenboim bot die zwangsläufige Dirigierpause während des Lockdowns die Möglichkeit, sich einmal mehr eindringlich mit den gewichtigen pianistischen Schlüsselwerken auseinander zu setzen und sie schließlich live im Pierre Boulez Saal in Berlin einzuspielen. Damit knüpfte er direkt an seine jahrzehntelange und kontinuierliche Beschäftigung mit Ludwig van Beethoven, der für den Pianisten von Beginn seiner Karriere an einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der wichtigste Komponist überhaupt war. Bereits mit 10 Jahren hat Barenboim die erste Beethoven-Sonate aufgeführt, im Alter von 15 Jahren legte er die erste Einspielung einiger ausgewählter Sonaten vor, seither folgten mit der nun erscheinenden Aufnahme insgesamt fünf Gesamteinspielungen der Klaviersonaten. Der Reichtum der Werke Beethovens aber scheint Barenboim bis heute unerschöpflich und regt ihn zu immer wieder neuen Erkundungen an. “Beethovens Musik hat alles”, sagt Barenboim. “Sie ist ein Universum wie keine andere Musik. Er war ein unglaublich mutiger Komponist, der immer an die Grenzen gegangen ist, und darüber hinaus.” Dabei wirke Beethovens Musik immer mehrdimensional und trage im selben Moment die unterschiedlichsten Emotionen in sich. “Wenn sie lacht, lacht und weint sie gleichzeitig”, so Barenboim.
Musikalische Reife und lebendige Neugierde
Für seine aktuelle Einspielung der Beethoven Klaviersonaten und der Diabelli-Variationen hat sich Barenboim noch einmal ganz neu mit dem musikalischen Multikosmos Beethovens auseinandergesetzt und sich das Ziel gesetzt, alles “jungfräulich neu, von Null zu lesen”, wie er sagt. Das Ergebnis spiegelt den großen Erfahrungsschatz und die musikalische Reife des Musikers ebenso wieder wie seine lebendige Neugierde und kompromisslose Detailarbeit. Dabei erscheinen die bekannten Werke oftmals in ganz neuem Licht, treten ungeahnte Nuancen zu Tage und ziehen die Stücke kontrastreich ausgestaltet, zart und gewaltig, intim und brillant zugleich in den Bann.
Schon bald wird eine weitere Aufnahme Daniel Barenboims außergewöhnliche Nähe zu Beethovens Werken aufzeigen. So erscheint im Winter eine Einspielung der Klaviertrios von Beethoven mit Daniel Barenboim am Klavier, seinem Sohn Michael Barenboim an der Geige und Kian Soltani am Cello.