Meredith Monk gilt als eine der einflussreichsten und originellsten Künstlerinnen der Gegenwart. Die 1942 in New York City geborene Sängerin, Komponistin, Tänzerin, Filmemacherin und Choreographin hat sich in der Musik- und Kunstwelt mit dem virtuosen Einsatz ihrer Stimme einen Namen gemacht. Monk, die in ihrem interdisziplinären Konzept Theaterbühne, Tanz und Gesang auf eigenwillige Weise miteinander verbindet, hat das Spektrum der expressiven Möglichkeiten des Gesangs wesentlich erweitert.
Die experimentelle Entdeckung ihrer Stimme als Organ ihres künstlerischen Ausdrucks war Mitte der 1960er Jahre eine Offenbarung für Monk. Die Künstlerin vertraute nicht allein auf Schönklang, sondern strebte durch vokale Mittel wie Summen, Flüstern, Schreien, Rufen, Schluchzen oder Lachen einen unverstellten Ausdruck uranfänglicher Regungen an. Als sie begann, mit vokalen Gesten zu arbeiten, eröffnete sich ihr ein unermessliches Feld der Expressivität, das sie jahrzehntelang mit einer Fülle von Musikprojekten erkundete.
Eigener Stil
Dass sich dabei ein eigener Kompositionsstil entwickelte, kann man jetzt in einer umfassenden ECM-Edition erleben, die auf 13 CDs alle Aufnahmen, die Monk für das Münchener Label tätigte, zusammenführt. Monk veröffentlicht seit 1981 bei ECM. Ihr vorläufig letztes Album “On Behalf Of Nature” erschien 2016. Damit umspannt die Edition einen Zeitraum von 35 Jahren, wodurch sich für die Beschäftigung mit Monks Werk ein vollkommen neuer Horizont öffnet. Ins Blickfeld gerät nicht allein die Vielfalt ihrer Projekte, sondern auch ihr Personalstil, der in allen Arbeiten und Genres der Künstlerin durchscheint.
Ob sie sich nun dem Sologesang widmet oder sich begleiten lässt, ob sie, wie in “Atlas” (1993), eine Oper oder, wie in “Book of Days” (1990), eine Musik zu ihrem gleichnamigen Film präsentiert, ob sie sich, wie in “Turtle Dreams” (1983), in eine Schildkröte hineinzuträumen versucht oder sich, wie in “Facing North” (1992), der Poesie des Nordens als Lebensgefühl hingibt: Es ist immer die eine und einzige Meredith Monk, die in ihr Innerstes abtaucht und mit ihrem non-verbalen Gesang Emotionen freisetzt, zu deren Ausdruck nur sie fähig ist.
Farbenreiches Portrait
Das gilt selbst noch für ihre Klaviermusik in dem Instrumentalalbum “Piano Songs” (2014), in dem ihr sanglicher Kompositionsstil hörbar mitschwingt. “Wie die anderen Außenseiter und unabhängigen Denker Henry Cowell, John Cage oder Harry Partch hat sie ihr eigenes Universum geschaffen und dabei die Wahrnehmung der zeitgenössischen Musik verändert”, so ECM-Produzent Manfred Eicher in dem 304-seitigen Begleitbuch der Box-Edition über Monk.
Das Buch, das neben sämtlichen Booklet-Essays aller Alben mit neuen Texten aufwartet und Archivdokumente sowie zahllose veröffentlichte und bislang unveröffentlichte Fotos präsentiert, vermittelt visuell und intellektuell einen starken Eindruck von Monks künstlerischer Arbeit. Zusammen mit der Musik entsteht so ein Gesamtbild von Monks Schaffen, das abstrakte Begriffe wie “Post-Minimalismus” oder “erweiterte Vokaltechnik” eher blass erscheinen lässt, so verständlich sie sind, um sich einer neuen Kunst zu nähern.